Vierachser vom Schlage des Iveco Stralis X-Way müssen alles können: wirtschaftlich auf der Straße rollen und im mittelschweren Gelände eine gute Figur machen. Gelingt das den beiden unterschiedlich konfigurierten 8×4-Brüdern gleichgut?

Mit dem Stralis X-Way für den Bau hat Iveco voll ins Schwarze getroffen. Die leichten Bauprofis der Italiener vereinen die besten Gene der LKW-Baureihen Stralis und Trakker. Das verspricht alltagstaugliche Baufahrzeuge mit exzellenten Straßeneigenschaften wie auch robuster Geländeperformance. Den Stralis X-Way gibt es in zahlreichen Ausführungen, mit unterschiedlichen Antriebsformeln und breitem Achsensortiment. Von 4×2- und 6×4-Sattelzugmaschinen über 4×2-, 6×2- und 6×4-Fahrgestelle bis zu 8×2- und 8×4-Vierachsern reicht das breitgefächerte Programm. Ein Klassiker, der auf keiner Baustelle fehlen darf, ist der 8×4-Kipper im Soloeinsatz. Überall haben die wendigen Schüttgut-Laster mit Dreiseiten- oder Hinterkipper ein Wörtchen mitzureden. Die flexibler einsetzbare Kippsattel können ihnen den Rang nie ganz ablaufen.
Doch Vierachser ist nicht gleich Vierachser. Auch nicht bei Iveco. Anhängig davon, wie häufig ein LKW ins Gelände muss, stehen drei Konfigurationen für den Stralis X-Way in 8×4-Ausführung zur Auswahl. Die Variante für häufige Straßeneinsätze nennt sich „ON“, für häufige Offroad-Einsätze heißt „OFF“, und der Mix aus On- und Offroad-Betrieb trägt das Kürzel „ON+“. Diese drei Fahrzeug-Setups machen den kleinen, aber feinen Unterschied für die auf den ersten Blick recht ähnlich auftretenden 8×4-Kipper von Iveco aus.

ON, OFF oder ON+
Muss ein Fahrer häufig ein- und aussteigen, bietet sich das Onroad-Paket an. Es zeichnet sich durch eine stark gekröpfte Vorderachse (142 mm) und Federungen für hohen Straßenkomfort aus. Einen größeren Böschungswinkel vorn und mehr Bodenfreiheit verspricht die Onroad-plus-Variante mit nur leicht gekröpfter Vorderachse (72 mm), was den Fahrzeugeinsatz auf den letzten Metern zur Baustelle sichert. Wer mit seinem Iveco häufig abseits der Straße unterwegs ist, greift besser zum Offroad-Paket. Dann bekommt der X-Way eine Geländezulassung. Zwar muss der Offroader ebenfalls mit der 72-mm-Kröpfung vorn auskommen, darf aber ohne Frontunterfahrschutz auf die Straße. Zusammen mit dem dreiteiligen Stahlstoßfänger steigen Böschungswinkel und Geländegängigkeit an. Eine gerade Vorderachse für noch mehr Bodenfreiheit ist im X-Way nicht vorgesehen.
Die Unterschiede an der Front sind bei den beiden 8×4-Solokippern im Test auszumachen. Der straßenhomologierte Dautel-Dreiseitenkipper tritt als Onroad-plus-Version an.
Standardmäßig gibt es im Übrigen für diesen Setup einen mehrteiligen Kunststoff-Stoßfänger, den es in Grau wie auch in Wagenfarbe lackiert gibt. Für mehr Robustheit spendiert Iveco dem Testkandidaten aber den aufpreispflichtigen Stahlstoßfänger. Unterhalb davon sitzt eine Stahlschürze mit Nebellampen, Kamera und Sensoren für verschiedene Fahrerassistenzsysteme. Dahinter macht sich der obligatorische Frontunterfahrschutz breit. Beides schränkt den Böschungswinkel ein.
Auf so etwas kann der weißlackierte Hinterkipper von Schmitz Cargobull verzichten. Er rollt im Geländepaket „OFF“ und mit serienmäßigem Stahlstoßfänger in den Steinbruch. Das verhilft ihm zu einem vorderen Rampenwinkel von mehr als 25 Grad. Unter dem Bug trägt dieser X-Way ein massives Schutzblech, das die empfindlichen Aggregate vor Bodenkontakt schützt. Die Auspuffanlage ist hinter dem Fahrerhaus hochgezogen, wo sie nicht stört. Beim roten 8×4-Dreiseitenkipper für mehr Straßenanteil sind Kühler, Ölwanne und Abgasanlage ungeschützt.

Trommelbremsen nur im Trakker
Ein weiterer Unterschied fällt bei den Doppelhinterachsen auf. Für den Straßenroller, der nur wenig im Gelände ackern und höchstens verschmutzte Baustraßen unter die Räder nehmen muss, wählt Iveco zwei Hypoidachsen für je 13 t Tragkraft. Sie hängen an gewichtsoptimierten Dreiblatt-Parabelfedern. Der geländeorientierte Offroad-Stralis verfügt dagegen über robustere Außenplanetenachsen, die mehr Bodenfreiheit bieten. Als Tandem fallen sie im X-Way rund 220 Kilo leichter aus als im schweren Trakker für den Bau. Auch die AP-Achsen sind über dreilagige Stahlfedern mit dem Chassis verbunden. Die Aufhängung der mechanischen Federung ist neu konzipiert, wodurch sich ein Gewichtsvorteil von 175 Kilo für das Doppelachsaggregat ergibt. Bei der wahlweise verfügbaren Bauluftfederung konnten die Iveco-Ingenieure das Gewicht um immerhin 35 Kilo reduzieren.
In der Praxis hat die rustikale Blattfederung gegenüber einer Luftfeder an der Hinterachse das Nachsehen. Beladen im Gelände fällt der Komfortunterschied aber kaum ins Gewicht. Die Stahlfedern kommen mit den bautypischen Strapazen gut zurecht und bieten ordentliche Überlastreserven. Leer auf der Straße lassen die Raubeine mehr Stöße zum Fahrer durch, zumal auch die beiden 9-t-Vorderachsen sowie die Kabinen mechanisch gelagert sind. An allen Achsen bremst der Fahrer ausschließlich über Scheibenbremsen. Sie lassen sich gefühlvoll dosieren, packen aber kräftig zu, wenn es gefordert ist. Trommelbremsen fürs Gelände gibt es jetzt nur noch im Trakker. Wie bei Rahmen, Federung und Bremsen herrscht auch bei Fahrerhaus, Motor, Getriebe und Ausstattung unter den 8×4-Brüdern Gleichstand. In beiden Vierachser klettert der Fahrer über vier Stufen in die knapp geschnittene Active-Day-Kabine und muss dafür gut 1,40 m an Höhe überwinden. Während am roten „ON+“-Kipper die erste Trittstufe breiter ist und im festen Verbund mit der Kabine steht, kommt sie am weißen Pendant beweglich gelagert daher und klappt bei Stößen mit Hindernissen im Gelände weg. Schaden nimmt sie dabei nicht.
Im Tagesfahrerhaus mit Flachdach bringen Rückwandfenster mehr Licht ins Innere und erlauben den Blick nach hinten. In der Mitte stört ein jeweils 36 cm hoher Motortunnel den Durchstieg. Dafür sind alle Bedienhebel und -tasten für Schaltung und Feststellbremse ins Armaturenbrett gerückt. Trotz der beengten Platzverhältnisse hat Iveco für Getränkehalter und ordentliche Ablagen für Kleinkram gesorgt. Die Hydrolenkung der Vorderachsen – noch ohne elektrische Unterstützung – verlangt etwas Kraftaufwand, arbeitet aber äußerst präzise und vermittelt einen guten Kontakt zur Fahrbahn.

Hohe Laufkultur
Mit dem 480 PS starken Cursor 11 in Euro 6c sind die Solokipper für den Bau kräftig motorisiert. Das größte Drehmoment von 2.300 Nm liegt bei dem 11,1-l-Sechszylinder bereits ab 970/min und über ein breites Drehzahlband an. Für die Einhaltung der Euro-6-Grenzwerte kommt der Motor in dieser Leistungsstufe nicht ganz ohne Abgasrückführung mit „nur“ SCR-Nachbehandlung (Hi-SCR) aus. Das so genannte Smart-EGR liefert dem Motor eine kleine Prise Abgas, um die Verbrennungstemperatur und damit den Verbrauch in Zaum zu halten.
Das Dieseltriebwerk von Fiat Powertrain (FPT) überzeugt in der Praxis mit hoher Laufkultur. Normale Steigungen auf losem Untergrund nehmen die beiden 8×4-X-Way souverän unter die Räder. Wird das Gelände schwieriger, helfen Längs- und Quersperren weiter. Ein Hillholder erleichtert das Anfahren am Berg. Den größeren und stärkeren, aber auch schwereren Cursor 13 mit 12,9 l Hubraum bis 570 PS braucht hier niemand. Dann doch eher der leichte Cursor 9 mit maximal 400 PS. Das automatisierte Zwölfgang-Getriebe Hi-Tronix trifft allseits die richtigen Gänge, lässt im Offroad-Modus höhere Drehzahlen vor dem Hochschalten zu und kann im schweren Gelände auch manuell geschaltet werden. Die Gesamtübersetzung passt, so dass die Vierachser im größten Gang bei rund 900/min mit Tempo 60 auf der Landstraße sparsam unterwegs sein sollten.
Parität herrscht zwischen den beiden Kontrahenten aus gleichem Haus bei den Gewichten. Mit 13,9 t Leergewicht bringt der Offroader gerade einmal 100 Kilo mehr auf die Waage, was größtenteils der massiven Hinterkippmulde von Schmitz Cargobull gegenüber dem schlanken Dreiseiten-Kippaufbau von Dautel geschuldet ist. Beide dürfen damit rund 18 t Nutzlast auf öffentlichen Straßen transportieren.
Im Gelände ist der Stralis X-Way in der Offroad-Konfiguration seinem zweieiigen Zwilling in „ON+“-Ausführung deutlich überlegen. Der größere Böschungswinkel, das Mehr an Bodenfreiheit, die strapazierfähigen, doppelt untersetzten AP-Achsen und der hochgezogene Auspuff lassen ihn mit unbefestigten Wegen besser zurechtkommen. Dafür kann der Vierachser mit Onroad-plus-Paket dank Straßenzulassung und einfach untersetzten Steckachsen bei Komfort, Sicherheit und Verbrauch punkten. Somit geben beide Vierachser eine ganz passable Figur ab. Es kommt bei der Wahl immer auf den geplanten Einsatz an. Für schwere Dauereinsätze am Bau sind beide nicht gemacht. Hier ist der Iveco Trakker zu Hause.

Frank Hausmann