Er trägt die komplizierte Typenbezeichnung Daily 35S14N A8V. Er ist ein einzigartiger Transporter, denn er verbindet einen sauberen und kräftigen Gasmotor mit einem komfortablen Automatikgetriebe.

Vorn schlingt sich ein blaues Band um Kühlergrill und Scheinwerfer. Unten rotieren auf Wunsch fesche blaue Aluminiumräder. Drinnen wartet ein Cockpit mit blauen Einlegern und schicken blaue Ziernähte am optionalen Lederlenkrad und dem Säckchen des Schalthebels – die Farbe Blau zeigt beim Daily, wie man sich den Himmel über smoggeplagten Städten wünscht.

„Blue Power“ nennt Iveco alle Daily seiner Saubermann-Fraktion, sie vereint die neuen 2,3-Liter-Diesel mit SCR-Technik, den Daily Electric sowie den Daily NP mit Gasmotor. Die Buchstaben NP stehen für „Natural Power“.

Das klingt nach sprudelnd frischem Quellwasser und einer luftigen Brise und umfasst diverse Gasvarianten als Treibstoff. Das beginnt mit fossilem Erdgas und reicht über Biogas bis zu künftigen Produkten aus Strom unter der schmissigen Überschrift „Power to Gas“.

Der Daily schluckt alles und verwandelt Gas to Power, er stößt mit Erdgas spürbar weniger CO2 aus als ein Diesel, fährt mit Biogas sogar nahezu CO2-neutral. Wer also ambitionierte CO2-Ziele erfüllen will, der sollte nicht blindwütig auf Verbrennungsmotoren einschlagen, sondern sie mit dem richtigen Stoff befüllen.

Zumal so ein Gasmotor ein friedlicher Geselle ist und auch von daher Sympathie erweckt. Gilt der klassische Dreiliter-Dieselmotor im Daily als kernig und etwas ungehobelt, so schnattert die davon abgeleitete Gasvariante vergleichsweise dezent vor sich hin – Gasmotoren sind von Hause aus Benziner und arbeiten entsprechend weniger rüpelhaft. Gemeinhin gelten sie aber auch als etwas verweichlicht und kraftlos.

Das liegt darin begründet, dass ein anderer Hersteller vergeblich versucht hat, handfesten Transporterleuten einen schmalbrüstigen PKW-Gasmotor schmackhaft zu machen. Das Daily-Triebwerk ist von einem anderen Schlag: drei Liter Hubraum, 100 kW (136 PS) Leistung, 350 Nm Drehmoment konstant von 1.500 bis 2.750 Touren – dieser Gasmotor hat Mumm.

Das passt …
Wer nicht nur der Umwelt, sondern auch sich selbst etwas Gutes tun möchte, der koppelt den bulligen Gasmotor mit dem Achtgang-Automatikgetriebe, eine neue Kombination. Die Schaltbox heißt beim Daily Hi-Matic, ist aber ein ZF-Getriebe, das sich selbst in feinsten PKW bewährt hat.

Annähernd jeder zweite neue Daily in Mitteleuropa fährt automatisch, dies zur Qualität des Getriebes. Sein Knauf glänzt, die Bedienung erfordert wie immer ein wenig Eingewöhnung. Es gibt die Eco- und die Power-Stellung (diese bitte schnell vergessen, zu nervös), es gibt per Knopfdruck die P-Stellung. Auch manuelle Eingriffe ins Schaltgeschehen sind möglich, aber in der Realität kaum nötig. Vor allem aber: Umweltschonendes Gas und fahrerschonende Automatik, das passt.

Beim forschen Tritt aufs Fahrpedal reißt die Kombination den Daily temperamentvoll nach vorn. Zunächst laufen die Schaltvorgänge etwas ruppig ab, doch haben sich Fahrer und Getriebe gefunden, wechselt das Getriebe geschmeidig und fast unmerklich die Gänge.

Dann rollt der 3,5-Tonner mit Tempo 50 im sechsten Gang mit 1.400 Umdrehungen ruhig durchs Industriegebiet, ist dabei vor der Haustür des Iveco-Werks in Ulm ausgerechnet in der Dieselstraße unterwegs. Außerorts schnürt der Daily bei gleicher Drehzahl im höchsten achten Gang gelassen mit 80 Sachen dahin, dank der flink reagierenden Automatik und dem antrittsstarken Motor stets sprungbereit.

Aus Sicht von Fußgängern und Stadtbewohnern ist der Gas-Daily auf leisen Sohlen unterwegs, das ist gut für Kurierdienste in Wohngebieten und Fußgängerzonen, ebenso bei Lieferungen zu nächtlicher Zeit oder an Wochenenden.

Auch im Fahrerhaus gibt er sich dezent, abgesehen von gelegentlichen Dröhngeräuschen. Aber beim Testwagen handelte es sich noch um ein Daily-Frühwerk ohne letzten Feinschliff.

Auch Branchenmodelle mit Gas
Typisches Merkmal des Transporters ist seine stämmige Bauweise mit einem tragenden Leiterrahmen. Was den Kurierfahrer durch eine entsprechend hohe Ladekante ärgert, ist mit Blick auf den Gasvorrat von Vorteil. Die Behälter finden alle unterhalb des Aufbaus und der Rahmenoberkante Platz.

Serienmäßig fährt der Daily mit drei Gasflaschen zwischen den Achsen vor, angeordnet links und rechts des Rahmens sowie mittig. Sie fassen zusammen 30,6 Kilo. Je nach Radstand, angepeilter Reichweite sowie Gewicht lässt sich das Tankvolumen deutlich vergrößern.

Schritt eins ist ein vierter Gasbehälter mittig im Rahmen Platz (Füllmenge 4,8 kg). Schritt zwei sind im hinteren Überhang zwei weitere Gasflaschen (zusammen 9 Kilo). Die maximale Füllmenge steigt somit auf maximal 44,4 kg, genug für einige hundert Kilometer, wobei die Angaben für die Gasvorräte je nach Quelle etwas variieren. Stabile stählerne Wannen schützen die Tanks vor Beschädigungen durch Steinschlag oder Bodenberührungen. Getankt wird auf der rechten Seite unten in der B-Säule.

Dort also, wo andere Daily-Fahrer ihrem Transporter Adblue einflößen. So etwas gibt’s hier nicht, statt eines aufwendigen Chemiewerks genügt ein Dreiwege-Katalysator zur Abgasreinigung.

Falls Versorgungsengpässe auftreten führt der Daily zusätzlich 14 Liter Benzin mit. Diese Reserve ist allerdings auf die Leicht- und Mittelgewichtler bis 6,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht beschränkt.

Die Ursache ist einfach: Im Benzinbetrieb reduziert Iveco Leistung und Drehmoment auf nur 60 kW (82 PS) und 230 Nm (nach anderen Angaben sogar 180 Nm) – damit ist beim Daily-Siebentonner nun wirklich kein Staat zu machen.

Die Gewichtsangabe wirft ein Schlaglicht auf die breite Produktpalette des Daily NP. Sie umfasst Kastenwagen von 9,0 bis 19,6 m3 Ladevolumen und Fahrgestelle von 3.450 bis 5.100 mm Radstand. Daraus resultiert eine Aufbaulänge bis 6,2 Meter.

Demnach ist als sogar der klassische Koffer mit gut 6 Meter Länge und Palettenbreite machbar. Und wenn das alles nicht reicht, zieht auch der Gas-Daily wie jeder seiner Kollegen Anhänger bis 3,5 Tonnen Gewicht.

Auch die werksseitig angebotenen Branchenmodelle sind jetzt mit Gasantrieb zu bekommen. Und auf der internationalen Umweltmesse Ifat im kommenden Frühjahr wird Iveco eine komplette Gasflotte auffahren, einschließlich sieben gasbetriebener Daily von der Pritsche bis zum Abfallsammler.

Nur zu gern weist die Gasbranche darauf hin, dass die CO2-Emission eines Gasfahrzeugs mit Biogasbetrieb von der Fahrzeugherstellung über die Kraftstoffbereitstellung bis zur Nutzung auf dem niedrigen Niveau von E-Fahrzeugen liegt, die mit regenerativer Energie betrieben werden. Und wer klassisches Erdgas fossilen Ursprungs nutzt, ordnet sich bei dieser Rechnung mit einem Gastransporter zwischen Stromern mit Saft aus dem EU-Mix und dem Diesel ein.

Erdgas wird teurer
Ganz ohne Falle ist der Kauf eines Gas-Daily indes nicht. Je nach Tankbestückung beläuft sich das Mehrgewicht auf 180 bis 260 Kilo. Speziell bei einem 3,5-Tonner wie dem hier gefahrenen Daily mit der komplizierten Bezeichnung 35S14G A8V kann das knapp werden.

Eine gewisse Abhilfe ist aber in Sicht: So könnte, ähnlich wie bei E-Fahrzeugen, die Führerscheingrenze von 3,5 Tonnen auch für Gasmobile um einige hundert Kilo ausgeweitet werden. Die damit verbundene Tempobegrenzung ist im Nahverkehr nicht von Belang. Unangenehmer ist die Tankstellendichte, vor allem in ländlichen Regionen lässt die Versorgung zu wünschen übriglässt.

Eine weitere Hürde sind die Kosten. Zwar hat die Bundesregierung den Steuervorteil für Erdgas bis einschließlich 2023 fortgeschrieben. Danach soll er über mehrere Jahre hinweg abgeschmolzen werden.

Damit verteuert sich Erdgas an der Tankstelle in der zweiten Hälfte des kommenden Jahrzehnts um knapp 20 Cent je Liter. Darüber hinaus will Iveco den Einstieg in die Gas-Welt zurzeit etwas erleichtern.

Laut Liste kostet der Schritt vom Blue-Power-Diesel zu Gas beim Dreiliter gut 6.000 Euro, kein Pappenstiel. Doch im Moment rollt der Gas-Daily für den halben Aufpreis vor. Und wer ganz hartnäckig nachfragt, der stößt auf weiteres Entgegenkommen. Damit’s im Daily eine blaue Stunde gibt und kein blaues Auge.

Randolf Unruh