Kräftige Motoren nach Euro 6d-Temp, eine feinstufige Automatik, neue Assistenzsysteme – Fiat frischt den Ducato auf. Umweht ihn etwa ein Hauch von Genialität?

Ganz unbescheiden vereinnahmt Fiat den großen Landsmann Leonardo da Vinci als Vordenker: „Genius at Work“ lautet die Überschrift zur neuesten Ausgabe des Ducato und zeigt den Transporter im Stil der weltbekannten Zeichnung „Der vitruvianische Mensch“. An die Stelle des Menschen mit Idealproportionen in Kreis und Quadrat schiebt sich der Ducato. Leonardo schrieb mit links und in Spiegelschrift, malte die Mona Lisa, entwarf Maschinen, betrieb anatomische Studien. Ein Universalgenie, wie ein Transporter. Unter ihnen zählt der Ducato zu den älteren Herrschaften. Als seinerzeit ungewohnter Fronttriebler drehte die Erstausgabe 1981 die Transporterwelt auf links. In derzeitiger Form legte Fiat ihn vor immerhin 13 Jahren auf. Seitdem ist nun der vierte größere Eingriff an der Reihe.
Ein wenig dunkler Lidschatten für die Scheinwerfer, je nach Modell Titan-Optik für Kühlergrill und Bugspoiler – optisch ist der neue Ducato ganz der Alte, trägt weiterhin sein unverwechselbares Gesicht. Den entscheidenden Sprung nach vorn macht seine Technik. Fiat konzentriert sich nun komplett auf die bullige 2,3-l-Maschine. Sie erfüllt mit SCR-Technik nun Euro 6d-Temp. 19 l Adblue schwappen im Bauch des Ducato, dem unvermeidlichen Mehrgewicht begegnen die Entwickler mit einem kleineren Dieseltank, serienmäßig nun 75 statt 90 l, das größere Gefäß gibt es auf Wunsch. Alle Motorvarianten erhalten einen Turbolader mit variabler Turbinengeometrie, das verspricht viel Mumm bereits bei niedrigen Drehzahlen. Ebenso bekommen alle Varianten ein Eco-Paket aus Start-Stopp-Anlage, geregelter Lichtmaschine und elektronisch geregelter Kraftstoffpumpe. Alles zusammen senkt laut Fiat den Dieselverbrauch um bis zu zehn Prozent.

Vollwertige Wandlerautomatik
Mit nur einem Motor in vier Leistungsstufen von 88 kW (120 PS) bis 132 kW (180 PS) deckt der Ducato alle Leistungsanforderungen ab. Höchst beachtlich ist die Durchzugskraft der Motoren von 320 Nm bis zu bärigen 450 Nm. Fiat betreibt kein schlichtes Chiptuning: Die beiden stärksten Varianten rechtfertigen ihre Zusatzbezeichnung „Power“ neben ihrer höheren Leistung durch verstärkte Kurbelwellen mit größeren Lagern, speziell legierten Kolben und Pleueln sowie eigens abgestimmten Turboladern. Das klingt nach Heavy Duty und bella macchina.
Der Ducato folgt ebenfalls dem Trend zur Automatik – wer Kurierdienstler fahren sieht, der weiß warum. Automatik heißt: Raus mit dem lahmen automatisierten Schaltgetriebe, her mit einer vollwertigen Wandlerautomatik. Deren Stichworte: neun Schaltstufen, drei Schaltprogramme namens Normal, Eco und Power, kompakte und leichte Bauweise, spritsparende Klauenkupplung. Die Entwicklung stammt von ZF, indes fertigt die FCA-Gruppe das Aggregat selbst in einem nordamerikanischen Werk.
Um den Antrieb herum gibt es reichlich Helferlein. Einen neuen Notbremsassistenten und den unverändert nervend quäkenden Spurassi, eine Verkehrsschilderkennung sowie einen Totwinkelassistenten. Der kompliziert bezeichnete „Rear Cross Path Detection“ warnt beim Rückwärtsfahren vor Querverkehr – eine willkommene Unterstützung beim Rangieren aus Parklücken oder Einfahrten. Ein Abstandsregeltempomat aber fehlt.

Leonardo würde nicken
Doch nun geht es vorwärts, und dies unter erschwerten Bedingungen. Wer Hochprozentiges mag, ist in Turin genau richtig. Nicht etwa wegen den schweren Rotweinen der Region, vielmehr liegt vor dem Ducato eine steile und enge Ausfallstraße. Sie schraubt sich, vorbei an versteckten Villen, Richtung Südosten steil in die Höhe. Den Ducato juckt dies wenig, er arbeitet sich verblüffend mühelos hinauf. Zweiter Gang, dritter, vierter Gang, ein paar Meter weiter vor der nächsten Kurve alles wieder retour. An Bord geht es entspannt zu, obwohl unter der Motorhaube lediglich 88 kW (120 PS) arbeiten, die neue Einstiegsmotorisierung. Wichtiger als schiere Pferdestärken sind jedoch zwei andere Zahlen: das maximale Drehmoment von 320 Nm bei nur 1.400 Touren. Dies führt zu verblüffenden Kletterfähigkeiten, trotz Ballast im Laderaum. Säße Leonardo auf dem Beifahrersitz, er würde vermutlich anerkennend nicken.
Es hat eben seinen Grund, dass die Ducato-Entwickler bei der Basismotorisierung von einem sanften Zweiliter-PKW-Diesel nun ebenfalls auf die rauere, aber bullige 2,3-l-Maschine umgestiegen sind. Zugegeben, leichtfüßige Drehzahlorgien sind ihre Sache nicht. Aber wenn dieses Kaltblut im Drehzahlkeller anzieht, dann spielt das keine Rolle. Zumal das leichtgängige und exakte Sechsgang-Schaltgetriebe prima mit dem Motor harmoniert.
Wer keine Autobahnhatz plant und keine Anhänger schleppt oder fortlaufend durch die Berge stochert, der ist mit dieser Variante bestens bedient. Keine Preislistenkosmetik, sondern die positive Überraschung im neuen Motorenprogramm.

Arbeitsschuhe statt Slipper
Szenenwechsel, anderer Ducato, neue Strecke. Jetzt steht keine Überraschung bevor, nun werden hochgespannte Erwartungen erfüllt. Unter der kurzen Haube wartet die neue Spitzenmotorisierung des Ducato mit 132 kW (180 PS) auf einen ersten Probegalopp. Fiat verbindet sie gerne mit dem ebenfalls neuen Wandler-Automatikgetriebe. Wirkt die Basismotorisierung gelassen, so fährt hier ein Souverän vor. Schließlich gönnen die Ingenieure dem Motor mit der standfesten Automatik noch eine Portion Drehmoment mehr. Macht deftige 450 Nm statt den schon sehr anständigen 400 Nm bei gleicher Leistung mit Schaltgetriebe, es verträgt nicht mehr.
So einer arbeitet sich Steigungen nicht hinauf, er ebnet sie ein. Tritt nicht explosiv an, sondern spannt erst die Muskeln an. Fährt nicht so schnell wie er kann, sondern so flott wie der Fahrer will oder darf. Zumal in Verbindung mit der Automatik neun Gänge die Kraft portionieren. Trotz der vielen Schaltstufen verbreitet die Technik unter der Haube keine Hektik, der Fahrer registriert die butterweichen Schaltungen nur am veränderten Motorgeräusch und am Drehzahlmesser. Kein Ruck, weder beim plötzlichen Tritt aufs Gas noch beim Heranrollen an Ampeln. Ein Tastendruck genügt für den Eco-Modus, dann pendelt die Motordrehzahl konsequent um 1.500 Umdrehungen. Das senkt den Spritverbrauch und auch das Geräusch des kernigen Motors, es bleibt eine handfeste Nutzfahrzeugmaschine in Arbeitsschuhen statt Slippern.

Die Alleskönner im Programm
Bei voller Beschleunigung auf die Autostrada dreht der Motor bis knapp 3.500 Touren empor, danach rollt der Ducato angesichts eines Tempolimits bei Tempo 100 mit nur 1.500 Touren im höchsten Gang gelassen dahin. Er kann es sich angesichts der üppigen Kraftreserven leisten. Und bei Bedarf flutscht ohnehin flink eine niedrigere Schaltstufe hinein. Im Normal- und vor allem im Power-Modus setzt der Ducato auf mehr Dynamik, schaltet später hoch, wählt gerne einen niedrigeren Gang, wirkt sprungbereit. Zurück in die Stadt. Egal welcher Modus oder welches Getriebe, an der Ampel sorgt die serienmäßige Stopp-Start-Automatik für Ruhe an Bord. Beim Wechsel auf Grün und aufs Gas geht’s flott weiter.
Die neue Spitzenkombination aus einem bärenstarken Motor mit der komfortablen Automatik richtet sich an Anspruchsvolle. Zwischen den beiden geprüften Extremen im Programm tummeln sich die mittleren Leistungsstufen mit 103 kW (140 PS) und 118 kW (160 PS). Sie sind die Alleskönner im Programm, passend für jene, die gerne ein wenig mehr Dampf hätten als das Minimum, aber auf das Maximum verzichten können. Die Automatik, die gibt es hier ebenfalls auf Wunsch. Und vor hochprozentigen Herausforderungen haben die Motoren ohnehin keine Scheu.
Und wo steckt nun die Genialität? Der große Leonardo da Vinci hätte vielleicht noch ein paar Ideen gehabt. Etwa eine passendere Sitzposition, besser ablesbare Instrumente als das dunkelorange Geflimmer mit zum Teil sehr mickrigen Zusatzanzeigen, etwas aufwändigere Materialien im Cockpit. Aber das nächste Facelift des Seniors kommt bestimmt. Die Leonardos in der Entwicklungsabteilung haben den Stift schon in der Hand.

 

Ducato unter Strom
Kraftvolle Dieselmotoren prägen mehr denn je das Bild des Ducato. Doch er kann auch ganz anders. Längst gibt ihn mit Erdgasantrieb, der Dreiliter fällt mit 103 kW (140 PS) Leistung und 350 Nm Drehmoment bullig aus, arbeitet leise und mit niedrigeren CO2-Emissionen. Jedoch ist die Technik aufgrund der nicht immer üppigen Versorgung in Europa sowie ihres hohen Preises Gewichts nur eingeschränkt geeignet. Ab 2020 steht der Transporter als Ducato Electric unter Strom, eine Eigenentwicklung mit einem vielversprechenden modularen Ansatz. Da wären Batterien mit einer Kapazität von 47 bis 79 kWh, laut Fiat gut für 220 bis 360 km Reichweite und schnellladefähig. Die Motorleistung wird sich auf 90 kW belaufen, das maximale Drehmoment auf 280 Nm. Das ist in der Realität mehr, als die Papierform vermuten lässt, denn beides steht bei E-Motoren vom Start weg voll zur Verfügung. Zugunsten maximaler Reichweite ist die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt. Im Unterschied zu anderen Herstellern will Fiat eine große Bandbreite an Karosserie- und Fahrgestellvarianten elektrifizieren.

 

Und was treiben die Kollegen?
Citroën Jumper und Peugeot Boxer überarbeiten ebenfalls ihre Motoren. Je nach Ausführung leisten die Triebwerke nun aus 2,2 l Hubraum 88 kW (120 PS), 103 kW (140 PS) oder 121 kW (165 PS). Somit legen alle drei Ausführungen um einige Pferdestärken zu. Sie erfüllen außerdem die Abgasstufe Euro 6d-Temp. Auf das Automatikgetriebe verzichten die Franzosen, aber sie preschen mit E-Antrieb vor, bereits ab September soll es Jumper und Boxer Electric geben. Der Kniff: Der Umbau erfolgt über das Partnerunternehmen BD Auto. Das Unternehmen ist in Großbritannien sowie mit seinem Stammsitz in der Türkei ansässig und bietet bereits die Elektrifizierung von mehreren Lieferwagen und Transportern an. Darunter steckt ausgerechnet ein E-Ducato. Jumper und Boxer wird es als Kastenwagen in vier Längenvarianten und mit zwei unterschiedlich großen Batteriesätzen geben. Die beiden kurzen Varianten fahren nach NEFZ 225 km weit, die beiden Längeren sollen bis zu 270 km schaffen. Neu für Citroën und Peugeot sind Spurhalteassistent (vibriert im Sitz und quäkt nicht wie im Ducato), Fußgänger- und Verkehrszeichenerkennung, Totwinkelassistent und eine Erkennung von Querverkehr bei Rückwärtsfahrt. Citroën wie Peugeot haben die Serienausstattung überarbeitet, neu hinzugekommen sind zum Beispiel elektrisch verstellbare Außenspiegel sowie ein Getränkehalter unten in der Mittelkonsole. Neue spezifische Varianten sind für häufige Einsätze abseits der Straße und für Vielfahrer gedacht.

 

Randolf Unruh