Ein großer Kleiner fürs Stadtrevier
Leichte und mittelschwere LKW für den Nahverkehr: Renault Trucks geht mit einem komplett renovierten Programm an den Start. Für Aufmerksamkeit sorgt der kleine Verteiler-Truck, der manchen etablierten 7,5-Tonner alt aussehen lässt.
Alles auf Reset, mit dem sofortigen Neustart setzt die französische LKW-Marke von Volvo alles auf eine Karte. Just in time mit der Einführung der Euro 6-Motoren rollen nur noch neue Trucks an den Start. Dabei werden die Modelle für den Nahverkehr nicht ausgespart. Sie erhalten komplett neue Motoren und drei verschieden breite Kabinen – vergleichsweise seltsame Typenbezeichnungen lösen die einprägsamen Namen wie Midlum oder Premium ab.
Als Namensstifter dienen die verschiedenen Kabinenbreiten. So heißt der kleine neue Verteilertruck der Marke, der hierzulande als 6,5- und 7,5-Tonner gehandelt wird, sperrig „D 2 m Cab“. Der Midlum-Nachfolger, der jetzt erst bei 10 t beginnt und bis 18 t reicht, trägt den Namen „D Cab 2,1 m“. Und der schwere Nahverkehrstruck mit der Bezeichnung „D wide“ löst den Premium Distribution ab. Keine leichte Kost für die Kommunikation, der Name will schließlich gelernt werden.
Einstiegsmodell im Zeichen der Maut
Genug der Zungenbrecher und schnell ran an die Fahrzeuge, zumal die leichten und mittelschweren Franzosen beachtliche Qualitäten versprechen. Vor allem das neue 7,5-Tonner-Einstiegsmodell steht im Fokus, denn die für 2015 angekündigte LKW-Maut in Deutschland dürfte das Interesse verstärkt auf diese Gewichtsklasse lenken. Der „D 2 m Cab“ genannte 7,5-Tonner zitiert mit seiner kompakt-rundlichen Frontlenkerkabine alte Saviem-Formen und -Zeiten, bietet aber im Innenraum mit betont sachlicher Möblierung und guter Raumökonomie drei Personen ausreichend Platz. Ein Fahrzeug, das von unten nach oben entwickelt wurde, aber mit einem Radstandsraster für stattliche Aufbaulängen bis zu 6.442 mm selbst große Trockenfrachtkoffer trägt. Und hier werden Distributoren aufhorchen: Renault verspricht eine Nutzlast von bis zu 4.266 kg.
In Deutschland soll der D 2 m Cab nur als 6,5- und 7,5-Tonner verkauft werden, darunter positionieren sich wie gehabt die Transporter-Modelle Maxity und Master. Während der kleinere Renault-Leichttruck nur hydraulisch bremst, bekommt der 7,5-Tonner richtige EBS-Druckluftbremsen, eine Motorbremse und 24-Volt-Elektrik. Befeuert wird der große Kleine von einem Dreiliter-Vierzylinderdiesel, der es auf 150 oder 180 PS bringen soll. Der moderne, beim Partner Nissan entwickelte Motor tritt ohne Anfahrschwäche ausreichend kräftig an, zeigt sich drehfreudig und ziemlich elastisch. Die stärkere Variante mit maximal 540 Nm Drehmoment ist dem 7,5-Tonner vorbehalten. Der bekommt auf Wunsch ein automatisiertes Getriebe (von ZF) und darf bei Bedarf auch noch einen 3,5-t-Anhänger ziehen.
Guter Komfort fürs Personal
Für die erste Proberunde steht allerdings nur ein hydraulisch gebremster 6,5-Tonner mit großem Koffer zur Verfügung. Unter dem komfortablen Fahrerhaus werkt der Nissan-Vierzylinder mit maßvollen 150 PS und 350 Nm. Er hält sich vom Start weg akustisch dezent zurück. Für guten Überblick sorgen große Fenster und große Spiegel, für französische Eigenwilligkeiten ist hier kein Platz. Der gebotene Komfort fürs Fahrpersonal ist klassenüblich und steht hinter einem Atego kaum zurück.
Wie der kleine Renault fährt? Zuerst total unkompliziert, auch das Sechsganggetriebe macht keine Zicken. Der große Kleine folgt der Lenkung sauber geradeaus und präzise, wie es eben nur moderne LKW-Konzepte vermögen.
Die nächstgrößeren „D cab 2,1m“-Modelle werden wie gehabt mit der Ex-Midlum-Kabine bestückt, die dank einem Facelift etwas grimmiger dreinschaut. Im Innenraum sind es neue Sitze und neue Farben, wobei die roten Sicherheitsgurte beständig an die Anschnallpflicht erinnern. Vieles bleibt, wie es war. So sitzt der Motorbremshebel noch immer – typisch französisch – links am Lenkrad.
Den Maschinenraum unter der Kabine belegen neue Motoren, die aus der Partnerschaft mit Nissan Diesel und Volvo stammen: ein Baukasten aus einem Vierzylinder mit 5,1 l Hubraum und einem 7,7 l großen Reihensechszylinder, die das Motorenprogramm von Deutz aus Köln ablösen. Die zwei hochmodernen Motoren mit obenliegender Nockenwelle und vier Ventilen pro Zylinder werden von einer Common-Rail-Hochdruckeinspritzung befeuert, für die Verbrennungsluft sorgt durchwegs ein Turbolader mit variabler Geometrie. Euro 6-gerechte Abgasqualität wird nach Art des Hauses per Abgasrückführung plus SCR-Katalysator und Partikelfilter erzielt, wobei das AGR-System hier die NO2-Emissionen bei niedriger Drehzahl reduziert. Dreht der Motor höher, wird Adblue ins Abgas eingedüst.
Kräftige Einstiegsmotorisierung
Die erste Kostprobe gibt der Vierzylinder in einem 12-Tonner, die kräftige Einstiegsmotorisierung mit 210 PS und 800 Nm macht die 240 PS und 900 Nm starke Spitzenvariante entbehrlich. Der renovierte Renault-Mittelgewichtler lässt sich gewohnt einfach und zielsicher bewegen. Die Gummi-Blockfederung für die Kabine reicht allerdings alle Fahrbahnschwingungen weiter, die durch die Vorderachsfederung dringen – hier sollte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
Durchwegs guten Federungskomfort können wir dem schweren 18-Tonner bescheinigen, der künftig als „D wide“ vermarktet wird. Der Fahrer sitzt bequem in der aufgemöbelten Ex-Premium-Kabine, die jetzt einen dreiteiligen Stoßfänger bekommt. Aber noch wichtiger und wie gehabt: Dank der verglasten Beifahrertür genießt er eine Rundum-Übersicht, die man nicht überall findet.
Der neue Sechszylinder unter dem Fahrerhaus offenbart sich mit besten Manieren, mit ordentlichem Antritt und gutem Durchzugsvermögen. Mit 320 PS und maximal 1.200 Nm ab 1.100 Umdrehungen ist er zwar nicht Klassenprimus, aber kräftig genug für die gelegentliche Hänger-Mitnahme. Von Hand geschaltet werden übrigens durchgängig ZF-Getriebe, auf Wunsch gern mit Intarder-Dauerbremse. Und wer den großen „D wide“ mit automatisiertem Getriebe möchte, bekommt in dieser Klasse eine 12-gängige Optidriver-Box serviert, die dann auf bewährter Volvo-Technik basiert.
Wolfgang Tschakert