Ein bulliger Motor in frischer Verpackung, ein aufgeräumtes und nun bedienungsfreundliches Cockpit. Test der stämmigen Variante mit langem Radstand, Hochdach, 3,2 Tonnen Gesamtgewicht – und Basismotorisierung. Ein Test mit Überraschungen.
Fein hat er sich gemacht, der Transit Custom. Hat Rouge aufgelegt, auch wenn’s hier „Hokkaido-Orange“ heißt, auf die Kürbis-Variante muss man erst mal kommen. Zeigt ein energisches Gesicht, nicht mehr so eingefallen wie bisher. Die Augenringe sind auf LED-Tagfahrlicht zurückzuführen, beileibe nicht auf Mattigkeit.
Und die unverändere dynamische Keilform steht dem Ford jetzt noch viel besser. Vor sieben Jahren feierte der Transporter Premiere, nun fährt er attraktiver denn je vor. Krempelt symbolisch die Ärmel hoch, schiebt das Kinn nach vorn. Der hat was vor.
Muss er auch, denn da sind sie wieder: Im Heck des Kastenwagens lagern, fein säuberlich gestapelt, 40 Sack Spielsand à 25 Kilo. Laut Aufschrift feinkörnig, gereinigt, Durchmesser 0 bis 2 mm. Wie auch immer ein Sandkorn mit 0 mm Durchmesser beschaffen sein mag.
Aber auch 0-mm-Körner wiegen schwer, hier alle zusammen exakt eine Tonne. Es gibt Situationen, da wünscht sich der Fahrer einen Transporter mit weniger Nutzlast. Denn zwischendrin muss alles per Hand raus und später wieder hinein. Und dann tritt der Ford tapfer mit seiner schwächsten Motorisierung an. Das heißt 77 kW (105 PS) gegen 3,2 t zGG.
150 oder 105 PS?
Der Transporter aber lässt sich von den 40 Säcken weit weniger beeindrucken als sein Fahrer. Denn die nominelle Leistung ist nur die halbe Wahrheit, im Alltag entscheidend ist das wuchtige maximale Drehmoment von 360 Nm. Das klingt eher nach 150 als 105 PS.
Und so fährt sich der beladene Transit Custom, tritt im Bereich der maximalen Zugkraft kraftvoll und spontan an. Zwar tut sich beim Tritt aufs Gas unterhalb des Maximalwerts trotz des Turboladers mit variabler Turbinengeometrie schlicht nichts, danach aber explodiert der Motor regelrecht, sehr dynamisch, aber etwas unharmonisch. Und auch oberhalb von etwa 2.500, 3.000 Touren bewegt sich wenig. Dann erinnert der Ford, ebenso wenn die Geschwindigkeit an Autobahnsteigungen abfällt, an Helene Fischer – er wirkt atemlos.
Komm, nimm meine Hand und geh mit mir, singt die Schlagerkönigin – hier greift die Hand lieber zum Schalthebel, um den Diesel mit seiner ellenlange Gesamtübersetzung in seinem hochaktiven aber schmalen Drehzahlband zu halten.
Ford hat den Transit Custom so ausgelegt, dass er im höchsten der sechs Gänge bei Tempo 100 kaum mehr als 1.500 Touren dreht. Das bedeutet fleißigen Gangwechsel auf der Landstraße und manchmal auch auf der Autobahn.
Aber ohne Verdruss, denn die Schaltung arbeitet präzise und mit kurzen Wegen.
Vor allem aber drückt der Kniff den Verbrauch. Wer den Ford, hier gekrönt von einem perfekt angepassten Hochdach, mit Maximaltempo über die Autobahn jagt, verbraucht gerade mal gut 11 l/100 km. Kein Wunder, denn in voller Fahrt mit knapp über 150 Sachen dreht die Maschine im sechsten Gang lächerliche 2.400 Touren.
Viel Sprit kann dabei nicht durch die Einspritzdüsen gepresst werden. Selbst wer angesichts einer Steigung rechtzeitig einen Gang zurückschaltet, landet bei nur 3.000 Touren. Da zum Test stets eine Vollgasetappe gehört, ist dies mitverantwortlich für einen sehr günstigen Testverbrauch von nur 8,4 l/100 km.
Viel Lob für die sehr gute Ausstattung der Variante „Trend“.
Bedienungsfreundlich
Dank der Auslegung sinkt auch das Geräuschniveau auf verblüffend niedrige Werte. 73 dB(A) in vollem Galopp und nur 67 dB(A) bei Tempo 100 km/h sind für einen sachlichen Kastenwagen aller Ehren wert.
Mitverantwortlich dafür ist das schnittige Hochdach, es wird nur sanft vom Fahrtwind umfächelt. Der Motor dagegen arbeitet von Hause aus durchaus kernig. Er nagelt vernehmlich nach dem Kaltstart und ist auch im Leerlauf – falls ihn die aufpreispflichtige Start/Stopp-Regelung nicht verhindert.
Wesentlicher aber ist im Cockpit die neu entdeckte Bedienungsfreundlichkeit des Transporters. Verschwunden sind klobige Satelliten links und rechts des Lenkrads mit unübersichtlichen Tasten, auch die wahre Tastenflut auf der Mittelkonsole und das Display im Format eines Mäusekinos.
Die neuen Lenkradtasten bei Vollausstattung mit Assistenzsystemen verlangen ebenfalls etwas Gewöhnung, die Funktionen erschließen sich aber recht schnell. Gleiches gilt für die Navigation über den großen berührungsempfindlichen Monitor in der Mittelkonsole.
Er steckt dort ähnlich einem Tablet und dürfte zur besseren Ablesbarkeit etwas zum Fahrer geneigt sein, ist aber generell eine sehr zeitgemäße Lösung. Gleiches betrifft die vielen offenen Ablagen oben auf dem Cockpit und in dreistöckiger Anordnung in den Türen.
Wie gewohnt rechnet Ford mit einer durstigen Besatzung, gleich sieben Getränkehalter nehmen Gebinde aller Größen auf. Auch elektronisches Gerät ist gerne gesehen. Ford hält zur Stromversorgung reichlich Steckdosen vor, einschließlich 230-Volt-Anschluss.
Die Entwickler haben ebenfalls die Sitze neu aufgepolstert. Der Fahrersitz gibt zwar nur überschaubaren Seitenhalt, entpuppt sich aber selbst auf langen Fahrten als recht bequem. Das trifft ebenfalls für den serienmäßigen Beifahrer-Doppelsitz zu.
Er überzeugt mit Einzelplatz-Ausformung, reichlich Knieraum selbst in der Mitte und einer geräumigen Sitztruhe. Das Ambiente rundum ist eher nüchtern gehalten, die Oberflächen sind zwar genarbt, aber aus hartem Kunststoff. Trotzdem fühlt sich der Fahrer wohl, auch wegen der guten Verarbeitung.
Und wegen der vorbildlich ablesbaren Instrumente. Dazu ist die Sicht durch die Außenspiegel mit den zwar starren, aber richtig positionierten zusätzlichen Weitwinkelgläsern prima. Und dann wären da viele kleine durchdachte Details, von den gut angebrachten Kleiderhaken über dem Mittelsitz über Reflektoren in den geöffneten Türen bis zum bestens erreichbaren Öffner für die Motorhaube links auf dem Radlauf.
Wäre der Fußraum breiter wäre, der renovierte Ford käme der Perfektion nahe.
Straff, aber nicht unkomfortabel
Unverändert blieb im Rahmen der jüngsten Überarbeitung der Laderaum. Und warum auch, die Schiebetür gleitet sehr leichtgängig, die Radkästen stehen weit auseinander, die acht stabilen Zurrösen sind sinnvoll positioniert und von oben strahlt helles LED-Licht. Über den Kunststoffboden in der gehobenen Trend-Ausführung kann man geteilter Meinung sein – oder ihn gleich abwählen.
Und die offene Ablage im Laderaum oberhalb des Fahrerhauses wird durch eine unzureichende Abtrennung nach hinten ad absurdum geführt. Dazu stören im Frachtraum einige offen und ungeschützt verlegte Kabel.
Augenmerk empfiehlt sich beim Einladen auf die Nutzlast, denn der gestreckte Radstand, das Hochdach und Nettigkeiten von der Klimaanlage bis zu allerlei elektrischen Helfern hieven das Leergewicht über die Marke von zwei Tonnen.
Falls dies nicht ausreicht, darf der Ford bis zu 2,8 t schwere Anhänger ziehen. Doch Vorsicht: Das zulässige Zuggesamtgewicht ist auf rund 5 t begrenzt. Und irgendwann wird auch der kräftige Motor angesichts einer solchen Fuhre einknicken.
Das Fahrwerk dagegen stört sich wenig an den 40 gewichtigen Säcken im Heck. Geht unter dem Ballast nicht in die Knie, der Ford hält sich gerade. Wippt beladen mit Nickschwingungen an der Vorderachse, poltert auch ein wenig, liegt straff, aber nicht unkomfortabel. Leer zeigt er eine gewisse Härte, dann springt die Hinterachse bei Unebenheiten mitunter, ihre Konstruktion als starres Aggregat mit Blattfedern ist in dieser Klasse nichts für Feinschmecker.
Aber flotte Kurvenfahrt steckt der Ford gelassen weg, liegt satt auf der Straße.
Nicht nur sein Blick ist energisch, er packt auch kräftig an. Und darf dabei vor Anstrengung auch etwas anlaufen, und sei es in Hokkaido-Orange.
Technische Daten
Maße und Gewichte
Länge gesamt 5.340 mm
Breite gesamt 1.986 mm
Breite über Außenspiegel 2.272 mm
Höhe gesamt 2.323 mm
Radstand 3.300 mm
Wendekreis 12,8 m
Breite/Höhe Schiebetür 1.030/1.324 mm
Breite/Höhe Hecktür 1.404/1.706 mm
Laderaum über Fahrbahn 536 mm
Laderaum (L/B/H) 2.921/1.775/1.778 mm
Breite zw. den Radkästen 1.392 mm
Ladevolumen 8,3 m³
Leergewicht Testwagen 2.080 kg
Nutzlast 1.120 kg
Zulässiges Gesamtgewicht 3.200 kg
Zul. Achslast vorn/hinten 1.725/1.725 kg
Anhängelast bei 12% Steigung 2.800 kg
Zul. Zuggesamtgewicht 5.040 kg
Antriebstrang
Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Turbodiesel in Reihenbauweise, quer eingebaut. Elektronische Steuerung, Common-Rail-Direkteinspritzung, Abgas-Turbolader mit variabler Geometrie. Zwei obenliegende Nockenwellen mit Antrieb über Zahnriemen, vier Ventile pro Zylinder. Bohrung/Hub 84,0/90,6 mm, Hubraum 1.996 cm³, Leistung 77 kW (105 PS) bei 3.500/min, maximales Drehmoment 360 Nm bei 1.500–2.000/min. Oxidationskatalysator, Partikelfilter, SCR-Technik mit Adblue-Einspritzung, schadstoffarm nach Euro 6.
Antrieb: Sechsgang-Schaltgetriebe mit Joystick, Übersetzungen 3,73/1,95/1,12/0,78/0,84/0,68, R.-Gang 5,30, Übersetzung Antriebsachse 4,19 (Gänge I-IV) bzw. 3,05 (V/VI). Antrieb auf die Vorderräder.
Fahrwerk
Vorne Einzelradaufhängung an McPherson-Federbeinen und unteren Dreiecks-Querlenkern, Stabilisator. Hinten Starrachse mit Parabelfedern. Reifen 215/65 R 16 C auf Rädern 6 1/2 J x 16. Zahnstangenlenkung mit hydraulischer Servounterstützung.
Bremsen: Hydraulische Zweikreisbremse, vorn und hinten Scheibenbremsen, ESP mit ABS, ASR, elektronisch geregelte Bremskraftverteilung, Anfahrassistent, Bremsassistent. Mechanisch auf die Hinterräder wirkende Feststellbremse.
Elektrik
Batterie 12 V/1×80 Ah, Lichtmaschine 220 A
Füllmengen
Tankinhalt: 70 l
Adblue: 21 l
Motoröl mit Filter: 9,8 l
Wartung/Garantie
Wartung: max. 60.000 km/2 Jahre
Garantie:
zwei Jahre Werksgarantie
ohne Kilometerbegrenzung, zwölf Jahre Garantie gegen Durchrostung.
Bis zu zwölf Jahre europaweite Mobilitätsgarantie.
Preis
Ford Transit Custom Trend 320L2H2
30.360* Euro
*ohne Mehrwertsteuer
Messwerte
Beschleunigung:
0–50 km/h 5,0 s
0–80 km/h 11,0 s
0–100 km/h 16,5 s
Elastizität
60–80 km/h (IV/V) 3,8/5,7 s
60–100 km/h (IV/V) 8,9/11,2
80–120 km/h (V) 16,8
Höchstgeschwindigkeit 150 km/h
Innengeräusche
Stand/50/100 km/h 60/62/67 db(A)
Kraftstoffverbrauch:
Normverbrauch
innerorts/außerorts/kombiniert 7,6/6,1/6,7
l/100 km
CO2-Emission kombiniert
168 g/km
Teststrecke beladen
8,4 l/100 km
Testverbrauch min./max.
7,1–11,2 l/100 km
Testverbrauch Adblue:
nicht feststellbar
Was unser Tester sagt
Fahrerhaus
⊕ Gute Verarbeitung, hohe Materialqualität, zahlreiche praktische Detaillösungen, sehr übersichtliche Instrumente, Platzangebot zufriedenstellend, zahlreiche offene Ablagen, große Sitztruhe, gute Basisausstattung,
sehr gute Ausstattung Variante Trend.
⊖ Etwas gewöhnungsbedürftige Bedienung mit insgesamt 14 Lenkradtasten.
Antrieb
⊕ Sehr durchzugsstarker Motor, leichtgängige und präzise Schaltung.
⊖ Leer straffe Abstimmung, beladen spürbares Nickschwingungen der Vorderachse, leichte Poltergeräusche.
Fahrwerk und Sicherheit
⊕ Sicheres Fahrwerk, beladen recht guter Komfort und hohe Fahrsicherheit, präzise Lenkung.
⊖ Für Kurz- und Mittelstrecken Gesamtübersetzung zu lang, etwas ruppige Leistungsentwicklung, eingeschränktes Drehzahlband.
Laderaum
⊕ Zurrösen geschickt angebracht, Boden und Seitenwände (halbhoch) verkleidet, empfehlenswerte LED-Beleuchtung, einfache Erweiterung Hecktüren, leise und leichtgängige Schiebetür.
⊖ Bodenbelag aus Kunststoff bei Nässe rutschig, Seitlich keine Trittstufe, Bügel an Hecktüren kosten innen etwas Platz.
Kosten
⊕ Günstiger Kraftstoffverbrauch, dichtes Servicenetz, einfacher Wiederverkauf, sehr lange Wartungsintervalle, umfangreiche Serienausstattung.
⊖ Grundpreis laut Liste recht hoch. Start/Stopp nur gegen Aufpreis. Großer und damit beim Wechsel teurer Ölvorrat.
Randolf Unruh