Der Iveco Stralis X-Way vereint zwei Welten in einer Fahrzeuglösung: die des gepflegten Straßengütertransports und die des derben Offroad-Business. Zusammen mit dem Hi-Traction-Zusatzantrieb ist ihm kaum ein Hang zu steil und kein Weg zu holprig – auch nicht mit Sattelkipper im Schlepptau.
Satte 480 PS unter der Haube – oder besser gesagt: unter dem Fahrersitz –, wassergekühlter Sechs-Zylinder-Diesel, ein maximales Drehmoment von 2.300 Nm und das hydraulische Antriebssystem Hi-Traction: Der Iveco Stralis X-Way 4×2 AS 440 X 48 ist einer fürs Grobe.
Woher wir das wissen? Ganz einfach: Anfang Februar hatte das Test-Team des KFZ-Anzeiger die Gelegenheit, die kernige Sattelzugmaschine in Onroad-plus-Variante samt Kögel-Muldensattelkipper genauer unter die Lupe zu nehmen – im Negenborner Kieswerk der Günter Papenburg AG.
Eine echte Überraschung: Der Stralis in offraod-tauglicher X-Way-Ausführung überzeugte dabei nicht nur durch seine ausgezeichnete Geländegängigkeit – nicht zuletzt auch durch das innovative Hi-Traction-System. Auch auf der Straße machte der raubeinige Italiener eine gute Figur. Denn in seiner Brust schlagen unverkennbar zwei Herzen: das „Offroad-Herz“ und das straßentaugliche „Fernverkehrs-Herz“. Der X-Way hat seine Wurzeln eben nicht nur in der Grube, sondern auch im kultivierten Straßengütertransport der Langstrecke.
Bautruck mit Straßen-Know-how
Für die Entwicklung des X-Way bedienten sich die Iveco-Ingenieure im gut gefüllten Baukasten der Baureihen Trakker und Stralis. Dabei griffen sie vor allem auf die innovativen Onroad-Eigenschaften der Stralis-Baureihe zurück. Die Offraod-Talente stammen überwiegend vom Trakker.
Die bereits im Fernverkehrstruck bewährten Technologien tragen dabei zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs bei. Vollständig überarbeitet hingegen wurde der Antriebsstrang. Die Leistung konnte dadurch gesteigert werden, ebenso die Kraftstoffeffizienz.
Das Hi-SCR-Nachbehandlungssystem erreicht nach Herstellerangaben eine NOX-Senkung von bis zu 97 Prozent und erfordert keine Regeneration und den damit verbundenen Fahrzeugstillstand, wodurch die Wartungskosten reduziert und die Verfügbarkeit des Fahrzeugs maximiert wird.
Die elektrische und elektronische Hi-Mux-Architektur (Multiplex) ermöglicht alle Kraftstoffeinsparungs- und Sicherheitsfunktionen, zu denen das moderne Hi-Cruise-System gehört (das Fahrassistenzfunktionen wie Eco-Roll, Predictive Gear Shifting und Predictive Cruise Control umfasst), intelligente Nebenaggregate minimieren den Kraftstoffverbrauch in jeder Situation.
Zusätzliche Eigenschaften wie Scheibenbremsen rundum tragen weiter zur Senkung der Gesamtbetriebskosten bei.
Freie Wahlmöglichkeiten
Der X-Way ist in drei Fahrzeugkonfigurationen erhältlich, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden entsprechen, abhängig davon, wie häufig das Fahrzeug im Gelände zum Einsatz kommt: Das On-Setup (Variante für Fahrzeuge, die mehrheitlich im Straßeneinsatz unterwegs sind) verfügt über alle Onroad-Eigenschaften des Stralis wie beste Sichtverhältnisse und Einstiegswerte, wenn der Fahrer oft rein und raus muss. Die Vorderachse ist gekröpft (142 mm), der Rahmen gegen grobe Behandlung verstärkt. Die Federung ist auf Straßenkomfort getrimmt.
Das Off-Setup entspricht allen hohen Mobilitätsleistungen, die erforderlich sind, um voll und ganz der Offroad-Homologation zu entsprechen.
Die dritte Variante ist die Onroad-plus-Variante – und die Konfiguration, in der unser X-Way zum Test erschien. Sie ist das Zwischen-Setup für Kunden, die den günstigsten Mix aus On- und Offroad-Betrieb benötigen. Hier reicht der Böschungswinkel mit leicht gekröpfter Vorderachse (72 mm) für die letzten Meter auf der Baustelle oder eben in der Kiesgrube.
Echtes Kraftpaket
Zum Praxistest in der Kiesgrube trat der 4×2-X-Way mit wassergekühltem Sechs-Zylinder-Viertakt-Diesel-Reihenmotor vom Typ Cursor 11 an. Bereits zu Beginn der Fahrt wurde klar: Das starke 353-kW-Triebwerk (480 PS) ist eine optimale Lösung für anspruchsvollstes Gelände.
Seine Kraft gibt der Motor wohldosiert und durchdacht an die Antriebsachse ab und meistert so auch lockere und schlammige Untergründe problemlos. Dabei liegt sein maximales Drehmoment bei rund 2.300 Nm in einem Drehzahlbereich zwischen 970 und 1.465 U/min.
Seine maximale Motorleistung von 353 kW (480 PS) gibt der Cursor 11 zwischen 1.465 bis 1.900 U/min frei. Das reichte während der Test-Fahrt für härteste Offroad-Anforderungen – und erst recht bei Leerfahrt sowie vollbeladen auf der Straße mit Gesamtgewichten bis 40 t.
In praktisch allen Lebenslagen ließ sich der Motor im wirtschaftlichen Drehzahlbereich bei 970 bis 1.465 U/min, in dem das volle maximale Drehmoment anliegt, beziehungsweise im verbrauchsgünstigen Bereich bei 1.000 bis 1.500 U/min betreiben. Das gilt sowohl für die Straßenabschnitte als auch für den anspruchsvollen Parcours im Kieswerk.
Einen weiteren Pluspunkt konnte der X-Way mit dem vollautomatisierten 12-Gang-Hi-Tronix-Getriebe vom Typ ZF 12 TX 2210 TD sammeln. Besser bekannt ist es unter der Bezeichnung Traxon, wie es der Haus- und Hoflieferant ZF nennt.
Im Test zeichnete es sich durch eine hohe Getriebespreizung aus, wodurch sich das Fahrzeug wohldosiert und sehr komfortabel rangieren ließ, ohne die Verschleißanfälligkeit, etwa durch übermäßige Kupplungsbeanspruchung, zu erhöhen. Gleich vom Stand weg agierte es schnell, sauber und mit viel Raffinesse dank Gangsprüngen mit wenigen, kaum spürbaren Zugkraftunterbrechungen – egal ob im Straßen- oder im Offroad-Einsatz.
Iveco bietet sein robustes Getriebe speziell für den Baustellenverkehr in Kombination mit der automatiserten Con-Act-Kupplung – eine elektropneumatisch gereglte Einscheiben-Trocken-Kupplung. Dieses feinsäuberlich abgestimmte Zusammenspiel ermöglichte in der Negenborner Kiesgrube beachtliche Fahrleistungen – auch in tiefem Schlamm oder an steilen Hängen.
Nach wie vor bekommt der Kunde auf Wunsch seinen X-Way auch noch mit Handschaltgetriebe, jetzt aber nur noch als 16-gängige Ecosplit-Getriebe von ZF.
Das Plus an Traktion
Und wenn das Terrain dann doch einmal zu unwegsam für die reguläre Antriebsachse der Stralis-Zugmaschine wurde, schalteten wir einfach per Betätigung des Aktivierungsknopfes am Armaturenbrett das hydraulische Zusatzantriebssystem Hi-Traction hinzu – einen zusätzlichen Hydraulikantrieb der deutlich mehr Vorderrad-Traktion bereitstellt.
Nach der Aktivierung überträgt das System das Drehmoment auf die nicht-mechanisch angetriebene Achse und synchronisiert dabei gleichzeitig die Geschwindigkeit der Vorderräder mit der Geschwindigkeit der Hinterräder. Der Vorteil: Das speziell für anspruchsvolle Offroad-Anforderungen entwickelte Hi-Traction-System verbessert die Stabilität des X-Way bei verringerter Haftung der Hinterräder – was letztendlich zum Durchrutschen auf schlammigem oder losem Untergrund führt.
Während des Tests zeigte sich der Mehrwert vor allem bei der Auffahrt auf einen steil ansteigenden Hügel im Negenborner Kieswerk. Wo andere Zugmaschinen ohne Hi-Traction aufgeben mussten, meisterte der Stralis X-Way den Anstieg auf sandigem, schlammigem und rutschigem Terrain problemlos.
Aktiviert wird das Hi-Traction-System durch die einfache Betätigung des Aktivierungsknopfes direkt am Armaturenbrett der Stralis-Zugmaschine. Die einzige Voraussetzung: Das Fahrzeug muss stillstehen oder mit einer Geschwindigkeit von unter 45 km/h unterwegs sein.
Anwendungsmodi
Dem X-Way-Piloten stehen während des Offroad-Einsatzes drei mögliche Anwendungsmodi zur Verfügung. Beim Freilaufmodus werden die hydraulischen Motoren nicht zugeschaltet. Eine Drehmomentübertragung auf die hydraulisch angetriebene Achse findet nicht statt. Im zweiten Modus – dem Vorauswahlmodus – wird das Hi-Traction-System „scharf“ gemacht. Es ist im Standby-Betrieb und kann bei Bedarf sofort eingesetzt werden.
Der dritte Modus ist der Hi-Traction-Antriebsmodus. Das System ist voll einsatzbereit, die hydraulischen Motoren werden zugeschaltet und übertragen das Drehmoment in Abhängigkeit vom Schlupf der Hinterräder auf die hydraulisch angetriebene Achse. Die Räder können nun ausreichend Zugkraft auf den Untergrund übertragen, um auch im tiefen Schlamm oder an steilen Hängen voran zukommen.
Eine zusätzliche Boost-Funktion steht immer dann zur Verfügung, wenn Hi-Traction eingeschaltet ist. Bei Bedarf wird dann zwischen 0 und 6 km/h ein höheres Drehmoment (boost torque) auf die Vorderräder übertragen, um das Anfahren des Fahrzeugs zu erleichtern – unabhängig vom Schlupf der Hinterräder. Je mehr der Fahrer das Gaspedal betätigt, desto mehr Anfahrmoment wird auf die hydraulisch angetriebene Achse übertragen.
Runde Sache
Der X-Way ist mit der neuesten Generation der Michelin-X-Works-Reifen erhältlich, die speziell für den Onroad-Einsatz mit häufigen Abstechern in Gefilde jenseits der befestigten Straße entwickelt wurden.
Die Reifengrößen 315/80 R 22.5 und 13 R 22.5 für Lenk- und Antriebsachsen sind rollwiderstandsarme Reifen mit ECE/R117-Kennzeichnung C. Sie ermöglichen es den Kunden, den Kraftstoffverbrauch – im Vergleich zum vorherigen Michelin X-Works XZY (ECE/R117-Kennzeichnung D für Rollwiderstand) – zu reduzieren, ohne Kompromisse bei anderen Aspekten ihrer Leistung wie Haltbarkeit, Sicherheit und Runderneuerungsfähigkeit einzugehen.
Seit dem ersten Quartal 2018 ist der X-Way zudem auch mit den brandneuen Michelin X-Multi-Energy-Reifen erhältlich, die für Transportunternehmen entwickelt wurden, welche eine Vielzahl von unterschiedlichsten Missionen abdecken.
Laut Hersteller bieten die innovativen Reifen den niedrigsten Kraftstoffverbrauch und die niedrigsten CO2-Emissionen auf dem Markt.
Dreamteam
Zu unserem Test in der Negenborner Grube trat der X-Way nicht alleine an. Er hatte sich mit dem Kögel-Mulden-Sattelkipper kompetente Unterstützung aus Burtenbach geholt. Eine gute Wahl, denn der stabile Mulden-Kipper aus hochfesten Stählen wurde speziell für den anspruchsvollen Transport von verschiedensten Schüttgütern wie Sand, Kies oder Bauschutt konzipiert und entwickelt.
Damit alle Transport- und Ladevorgänge wie am Schnürchen klappen, verfügt der Sattelkipper von Kögel über ausgefeilte Bauteile und Technik. So schützt etwa ein optionales Verdeck sensible Güter vor Nässe und Kälte sowie vor Wind während der Fahrt. Eine am Hauptrahmen angebrachte Abschleppöse hilft in Notlagen unterwegs.
Und auch die Abladevorgänge durch das Kippen der Mulde laufen schnell und kontrolliert ab. Möglich machen dies die hydraulische Rückwandklappe sowie ein fünf-stufiger Kippzylinder, mit dem sich die Mulde bis auf circa 48 Grad neigen lässt.
Die hochwertige Oberflächenbehandlung mit Nano-Ceramic- plus KTL-Beschichtung für Rahmen und Mulde sorgt für zusätzliche Robustheit und erhöht die Langlebigkeit des Kippers.
Doch der Kögel-Kipper überzeugte im Test nicht nur mit bautechnischen Finessen. Der Mulden-Kipper erwies sich zudem auch als überaus bequem bedienbar. Vom optionalen Bedienpodest an der Fahrzeug-Stirnseite aus hat der Fahrer bei Ladevorgängen stets den Überblick. Durch gut zugängliche Kontroll- und Bedieneinheiten werden die Feststellbremse sowie die Luftfederung der Kippmulde einfach und unkompliziert angesteuert.
Optionale Kipper-Anbauteile wie Wasserkanister, Werkzeugkasten oder Feuerlöscher sowie Arbeitsgeräte und Anstellleiter können zudem platzsparend am Podest beziehungsweise am Rahmen befestigt werden.
Ein weiterer Pluspunkt: Durch sein geringes Eigengewicht bietet der Sattelkipper „made in Burtenbach“ ein Maximum an Nutzlast für Schüttgüter aller Art.
Philipp Bönders