Zeitenwende im Hause Scania: Mit dem neuen P 280 4×2 NA vollziehen die Schweden auch im leichteren Verteilerverkehr der 18-t-Klasse den Generationswechsel. Zugleich war die LKW-Exkursion die letzte Testfahrt mit Scanias Test-Betreuer Peter Breitbach. Er geht Ende des Jahres in den Ruhestand. 

Zugegeben, etwas wehmütig war ich schon, als ich Anfang Oktober die kurvenreiche Eifellandstraße Richtung Mosel entlangfuhr. Nicht, weil es etwa ein Problem mit Scanias neuem Verteiler-LKW, dem P 280, gab (im Gegenteil: das Fahrzeug mit verbrauchsarmem 7-l-Motor konnte im Test überzeugen), sondern vielmehr, weil es die letzte Exkursion mit einem echten Urgestein der deutschen Presse-Testerei war. Denn nach rund 34 Jahren verabschiedet sich Scanias Test-Betreuer Peter Breitbach Ende dieses Jahres in den wohlverdienten Ruhestand. Und eins ist klar: Der klassische Breitbach’sche Truck-Test unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht deutlich von den üblichen Presse-Exkursionen der anderen europäischen Hersteller. Unterwegs zu sein mit Peter Breitbach ist im Grunde nichts Geringeres als „akademisches LKW-Fahren“. Denn niemand in der Branche ist so vertraut mit den kulturhistorischen Entwicklungen und Gepflogenheiten des mittelrheinischen Raumes – seiner Heimat –, und kaum ein Zweiter kennt die technischen Feinheiten der Scania-Fahrzeuge besser als er. Über beides referierte Breitbach stets wie ein leidenschaftlicher Hochschulprofessor – präzise, detailreich, humorvoll. Und vor allem nie langweilig.
In einem Atemzug erhielt man umfangreiche Informationen zur Höhe, Breite und Ausstattung der Fahrerhaus-Kabine, zur Motorisierung sowie zur Geschichte des gerade passierten Bauernhofes, zu Bräuchen und Traditionen der Koblenzer Landbevölkerung vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Scania-Testen mit Peter Breitbach war eben einzigartig. Und das werde ich ganz sicher vermissen. Gleichzeitig freue mich aber auch auf die zukünftige Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger in spe, René Seckler. Seckler zeichnet ab Januar 2019 verantwortlich für alle Scania-Presse-Tests.

Der „Next generation“-Motor
Zum letzten Mal testete der KFZ-Anzeiger vor vier Jahren einen P-280-Standard-Verteiler-LKW. Damals fuhren die Schweden mit dem P 280 im 18-t-Solo-Verteiler-Test einen beachtlich niedrigen Gesamtwert ein. Der Durchschnittsverbrauch: rund 19,5 l/100 km bei einer flotten Durchschnittsgeschwindigkeit von 72,4 km/h. Zu jener Zeit arbeitete noch ein Scania-5-Zylinder-Reihendiesel vom Typ DC09 113 im mittelschweren Verteiler-Truck. Der leichte 9,3-l-Diesel leistete 280 PS bei 1.900/min und überzeugte das Test-Team mit einem maximalen Drehmoment von 1.400 Nm bei 1.000 bis 1.350/min. Heute – im Jahr 2018 – haben die Schweden ihrem Spezialisten für die City-Logistik nicht nur eine komplett überarbeitete Fahrer-Kabine aus der neuen P-Serie spendiert, sondern mit dem DC07 113 auch gleich einen Vertreter aus der Ende 2017 vorgestellten 7-l-Motorengruppe ins Rennen geschickt.
Damit ergänzt der LKW-Hersteller aus Södertälje das Portfolio um eine vierte Triebwerks-Familie. Die neuen 7-l-Motoren sind sowohl in Bezug auf ihren Hubraum als auch in Bezug auf die Außenabmessungen kleiner als alle Scania-LKW-Motoren der vergangenen Jahrzehnte.

Effizientes Leichtgewicht
Die neuen Sechszylinder-Reihenmotoren, die mit Leistungen von 220, 250 und 280 PS erhältlich sind, wurden zusammen mit Cummins entwickelt. Wesentliche Optimierungen wurden vor allem hinsichtlich des Drehmomentes und des Aufbaus vorgenommen. Das Ergebnis: ein hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen und ein Turbolader mit fester Turbinengeometrie. Zur Einhaltung der Abgasnorm Euro 6 ist nur eine Abgasnachbehandlung mittels selektiver katalytischer Reduktion (SCR-only) erforderlich. Die Zielgruppe sind Transportunternehmer im städtischen Verteilerverkehr sowie Kunden, deren LKW zum Funktionieren moderner Städte beitragen, etwa durch Abfallentsorgung oder Arbeiten zur Instandhaltung. Bei diesen Anwendungen spielt Gewicht häufig eine große Rolle und ist in der Regel der Hauptgrund warum sich Kunden gegen die leistungsstärkeren 9- oder 13-l-Motoren entscheiden.

Steuer- und Regelsysteme
Verglichen mit den Fünfzylinder-Motoren der älteren DC09-Generation ist das geringere Gewicht des DC07 übrigens erheblich: Bei gleichbleibendem Gesamtgewicht ermöglicht das beim Motor eingesparte Gewicht eine um 360 kg höhere Zuladung.
Der als Ausgangsbasis verwendete Motor wurde umfassend überarbeitet. So wurden alle Überwachungs- und Steuersysteme von Scania selbst entwickelt. Des Weiteren wurde ein neuer Turbolader verwendet. Der Motor nutzt zudem das innovative Abgasnachbehandlungssystem von Scania, das die Reduzierung der NOx-Emissionen allein durch SCR ermöglicht. Das maximale Drehmoment der neuen Motoren wird bereits bei 1.050 U/min erreicht und steht bis zu 1.600 U/min zur Verfügung. Dies ermöglicht ein gutes Fahrverhalten und reduziert aufgrund der geringen Drehzahlen den Kraftstoffverbrauch. Wie bei den größeren Scania-Motoren kommt auch bei den 7-l-Motoren Leichtlauföl zum Einsatz, das zum geringen Kraftstoffverbrauch beiträgt.

Komfortabel unterwegs
Während der Test-Fahrt stellte sich der neue Scania P 280 als attraktiver Verteiler-LKW in ansprechendem Design vor. Dank der CP17N-Kabine mit einer Innenlänge von rund 1,70 m bietet das Fahrzeug zeitgemäßen Komfort mit geräumigem Innenleben, großzügigen Stauräumen hinter den Sitzen sowie günstig platzierten Ablagen im Fahrerumfeld. Hinzu kommen der komfortabel gestaltete Fahrerplatz, das elegante Cockpit mit übersichtlicher Instrumentierung und griffigem Multi-Funktionslenkrad. Das Interieur zeichnet sich durch eine überaus wohnliche Atmosphäre dank dezenter Farb- und hochwertiger Materialwahl aus. Weiterere Vorteile der modernen CP-17N-Kabine sind die günstige Einstiegssituation mit niedrigem Kabinenboden über der Fahrbahn sowie der niedrige Motortunnel. Ein Pluspunkt, den der P 280 der neuen Motorengeneration zu verdanken hat. Denn mit der Einführung des DC07 kann das P-Fahrerhaus nun auch mit niedrigem Motortunnel bestellt werden, da der neue Motor weniger Bauraum benötigt. Der um 95 mm niedrigere Motortunnel lässt das Fahrerhaus deutlich geräumiger erscheinen und verbessert die seitliche Bewegungsfreiheit. Zudem verfügen P-Fahrerhäuser mit niedrigem Motortunnel über die gleichen Staufächer wie die G-Fahrerhäuser. Zur Auswahl stehen Ausstattungsvarianten für zusätzlichen Stauraum sowie Liegen an der Rückwand. Der niedrige Motortunnel steht bei P-Fahrerhäusern nur in Verbindung mit dem neuen 7-Liter-Motor zur Verfügung und ist unabhängig von Kabinen-Länge oder Dachhöhe erhältlich.

Überzeugende Fahreindrücke
Das Testfahrzeug konnte bei den Fahreindrücken mit hoher Fahrharmonie überzeugen. Dank 206 kW (280 PS) und 1.200 Nm ist der P 280 als 18-Tonner zügig und kraftvoll unterwegs und meistert nicht nur die ebenen und sauber asphaltierten Straßen der Stadt. Auch bei Überlandfahrten auf kurvenreichen Landstraßen macht der neue Verteiler-Spezialist eine gute Figur. Der neue Sechszylinder-Reihenmotoren sorgt schon bei unteren Drehzahlen für einen fülligen Drehmomentverlauf und agilen Antritt. So erreicht man zügig das gewünschte Marschtempo.
Zu den Fahrzeug-Highlights zählt zweifelsfrei auch das 2-Pedal-Opticruise-Automatikgetriebe GR 875. Die feine Getriebestufung übernahm während der Test-Fahrt treffsicher die Gangwahl. Und auch die leichtgängige und angenehme Lenkung bot ein zielgenaues Verhalten und überzeugte mit einer gut gedämpften Mittelstellung sowie ausreichenden Rückstellkräften. Hinzu kommen gute Sichtverhältnisse aus der Kabine heraus über die großdimensionierten Rückblickspiegel.
Einen positiven Eindruck hinterließ zudem die von Scania erstmals eingeführte Option eines City-Fensters. Das tief angeordnete Fenster ermöglicht dem Fahrer eine bessere Sicht auf besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer wie Kinder, Fahrradfahrer und Fußgänger direkt neben dem Fahrzeug. Die nützliche Sicherheitslösung kann für die Beifahrertür aller P-Fahrerhäuser bestellt werden.

Philipp Bönders