Kompakt, schnell und vergleichsweise günstig: Der elektrisch angetriebene Nissan E-NV200 präsentiert die angenehmen Seiten der E-Mobilität. Aber nicht nur diese.

Dezent pfeift es im Hintergrund, die Insassen werden in die Sitze gepresst, mit Karacho geht es vorwärts. Nicht etwa in einem Jet, hier schießt ein schlichter weißer Kastenwagen nach vorn.

Nach vier Sekunden ist Tempo 50 km/h erreicht, nur gut sechs Sekunden später fegt er mit 100 Sachen über die Landstraße – jetzt bloß nicht abheben. Der Antritt eines Elektroautos ist häufig ein Erlebnis, der Start des Nissan E-NV200 spektakulär. 80 kW leistet der Elektromotor tief unter der Haube, das maximale Drehmoment beläuft sich auf 254 Nm. Die nackten Zahlen führen nur zu einem Schulterzucken.

Ihre Umsetzung auf dem Asphalt aber zu einem breiten Grinsen im Gesicht des Fahrers, wenn er mit kurzem Tritt aufs Pedal mal wieder einen dieser lästigen Drängler abschüttelt, die den kompakten Transporter unterschätzen.

„Die nackten Zahlen führen nur zu einem Schulterzucken. Ihre Umsetzung auf dem Asphalt aber zu einem breiten Grinsen im Gesicht.“

Mehr als 5.000 E-NV200 hat Nissan im vergangenen Jahr in Europa losgeschlagen, ein Hit in der noch dünn besetzten Szene der E-Transporter. In Deutschland allerdings erzielte er nur eine überschaubare dreistellige Stückzahl.

Vielleicht, weil er sich mit seinen Abmessungen zwischen Lieferwagen und Transporter, zwischen Baum und Borke ansiedelt. Der Nissan ist 4,6 m kurz, 1,8 m schmal, erreicht aber volle Manneshöhe. Das ergibt gewöhnungsbedürftige Proportionen.

Hinzu kommt ein unschuldiges Gesicht, dezent geschminkt mit blauem Lidschatten in den Scheinwerfern. „Zero Emissions“ prangt an Flanke und Heck, es liest sich in der Nissan-Schreibweise fast wie „Zorro Emissions“. Genauso fährt sich der weiße Kastenwagen auch, ein Kraft-Wagen im besten Sinne. Aber, dank niedriger Geräuschkulisse, dabei recht entspannt.

Mit Eco-Zähmung
Wer zu einem Kastenwagen greift, denkt indes zunächst an andere Qualitäten als an Van Race. Und der Nissan kann auch ganz anders. In der Fahrstufe „Eco“ benimmt er sich sehr zivil, schlendert leer wie beladen gelassen im Verkehr dahin.

Ist an Steigungen mehr Mumm gefragt, hilft dank Kickdown-Funktion ein kräftiger Tritt aufs Pedal, und der Nissan liefert wieder reichlich Vortrieb. Die Eco-Zähmung lohnt sich, schließlich will der Fahrer nicht fortwährend mit zerfurchter Stirn auf die Anzeige der Reichweite blicken.

Doch die Voraussetzungen für gelassenes E-Fahren sind günstig, denn die Batterie ist mit einer Kapazität von 40 kWh sehr potent.

Also her mit dem Ballast und raus zur streng geregelten Testfahrt. Heute lagert eine Palette mit einer halben Tonne Streusalz im Heck, man weiß im Frühjahr ja nie. Im Stadt- und Überlandverkehr benötigt der Nissan zwischen rund 14 und 18 kWh auf 100 Kilometer. Wie immer zügig und doch verbrauchsbetont gefahren. Reichweite? Kein Problem. Das ändert sich, sucht er wenig artgerecht die Autobahn auf. Eine Fahrt mit gemütlichen 100 Sachen kosten etwa 20 kWh.

Spürt der Transporter die Sporen – gleichbedeutend mit Tempo 130 –, steigt der Wert auf etwa 25 bis 28 kWh, vorbei ist es mit der schönen Reichweite. Hohes Leistungsvermögen, gepaart mit wenig Energierückgewinnung per Rekuperation, da stößt jedes E-Mobil an Grenzen. Auf Landstraßen dagegen sind gut und gerne 30 Prozent Energierückgewinnung drin, manchmal mehr.

Der Fahrer kann das Geschehen präzise verfolgen. Das zentrale Rundinst rument mit Digitaltacho sieht in seiner Buntheit zunächst nach Bling-Bling aus, enthält aber recht übersichtlich alle wesentlichen Informationen vom Ladezustand über die aktuell abgeforderte Leistung oder Rekuperation bis zum Fahrmodus. Rechts daneben bietet der Bordrechner weitergehende Daten über Verbrauch, Batterietemperatur und Ladezustand bis zur Ladedauer.

Nicht genug? Dann bitte den mäßig ablesbaren Bildschirm in Wagenmitte per Fingertipp umgraben. Schon nennt der Nissan die Reichweite bei Betrieb der Klimaanlage – sie kostet etwa zehn bis 15 Prozent – sowie die Standorte von Ladesäulen in der Nähe oder entlang der geplanten Route.

Technische Daten

Maße und Gewichte
Länge gesamt 4.560 mm
Breite gesamt 1.755 mm
Breite über Außenspiegel 2.011 mm
Höhe gesamt 1.850 mm
Radstand 2.725 mm
Wendekreis11,1 m
Breite/Höhe Schiebetür 700/1.171 mm
Breite/Höhe Hecktür 1.262/1.228 mm
Laderaum über Fahrbahn 524 mm
Laderaum (L/B/H) 1.905-2.040/1.500/1.358 mm
Breite zw. den Radkästen 1.220 mm
Ladevolumen 4,2 m³
Leergewicht Testwagen 1.620 kg
Nutzlast 600 kg
Zulässiges Gesamtgewicht 2.220 kg
Zul. Achslast vorn/hinten 1.180/1.200 kg
Anhängelast bei 12% Steigung 410 kg
Zul. Zuggesamtgewicht 2.220 kg

Antriebstrang
Motor: permanent erregter Synchron-Elektromotor. Leistung 80 kW bei 3008–10.000/min, maximales Drehmoment 254 Nm bei 3.008/min. Lokal emissionsfrei.
Antrieb: feste Übersetzung. Antrieb auf die Vorderräder. Joystick-Wählhebel mit Positionen D-N-R-P.
Batterie: Lithium-Ionen-Batterie, Nennka-pazität 40 kWh, Nennspannung 350 V, schnellladefähig. Ladedauer AC mit 2,3 kW bis 100 Prozent 17 Stunden, Ladedauer AC mit Wallbox 7:30 Stunden, Ladedauer DC mit 50 kW auf 80 Prozent 0:40–1:00 Stunden.

Fahrwerk
Vorne Einzelradaufhängung McPherson-Federbeinen und unteren Dreiecks-Querlenkern, Stabilisator. Hinten Starrachse mit Parabelfedern. Reifen 185/65 R 15 auf Rädern 6 J x 15. Zahnstangenlenkung mit elektromechanischer Servounterstützung.
Bremsen: Verzögerung über Rekuperation per Fahrpedal. Hydraulische Zweikreisbremse, vorn und hinten Scheibenbremsen, ESP mit ABS, ASR, elektronisch geregelte Bremskraftverteilung, Anfahrassistent, Bremsassistent. Parksperre. Mechanisch auf die Hinterräder wirkende Feststellbremse.

Elektrik
Batterie 12 V/50 Ah, geladen über die Hochvolt-Batterie
Wartung/Garantie
Wartung: 30.000 km/12 Monate
Garantie: fünf Jahre/100.000 km Garantie auf das Gesamtfahrzeug (davon 3 Jahre 100.000 km Herstellergarantie, danach Anschlussgarantie. Dreijährige Lackgarantie, zwölf Jahre Garantie gegen Durchrostung, Mobilitätsgarantie nach Service. Acht Jahre/160.000 km Garantie auf eine nutzbare Batteriekapazität von mindestens 75 Prozent.

Preis
Nissan E-NV200, Kastenwagen 28.660* Euro*ohne Mehrwertsteuer

Messwerte
Beschleunigung:
0–50 km/h 4,2 s
0–80 km/h 7,2 s
0–100 km/h 110,7 s
Elastizität:
60–80 km/h 2,7 s
60–100 km/h 6,1
80–120 km/h 8,8
Höchstgeschwindigkeit 133 km/h
Innengeräusch:
Stand/50/80/100 km/h 0/59/63/64 db(A)
Vmax 74 dB(A)
Kraftstoffverbrauch:
Normverbrauch WLTP kombiniert
25,9 kWh/100 km
CO2-Emission kombiniert 0 g/km
Teststrecke beladen 18,7 kWh/100 km
Testverbrauch min./max.14,2-25,8 kWh/100 km

„Soll ich die Ladesäule suchen?“
Den Stromverbrauch kann der Fahrer mit seinem Temperament, dem Fahrmodus und mit seinem Bremsverhalten beeinflussen. Nimmt er den Fuß vom Pedal, verzögert der Nissan in Stufe „D“ vergleichbar mit dem klassischen Schiebebetrieb und rekuperiert bereits, dies noch stärker beim leichten Bremsen.

Ein Klapps mit der Hand gegen den Wählhebel, der Transporter wechselt in Stufe „B“, die Rekuperation steigert sich abermals, der Nissan verzögert fast bis zum Stillstand. Beide Varianten haben Vorzüge: wenig Fahrwiderstand und langes Rollen in „D“, viel Rückgewinnung in „B“ – eine Stilfrage.

Nutzt der Fahrer den großen Stromvorrat aus, erhält er kurz vor Schluss optische und akustische Warnhinweise. Zusätzlich fragt eine vorsorgliche Stimme, ob sie eine Ladesäule suchen soll.

Für die Aufladung gibt es mehrere Optionen, die langwierige Variante an der Haussteckdose, beschleunigtes Laden an der Wallbox sowie Schnellladung. Dies mit der Einschränkung, dass der Nissan dafür nach japanischer Art einen Chademo-Anschluss verlangt, den gibt es indes nicht an jeder Zapfstelle. Wer raffiniert vorgeht, steuert den Ladevorgang per Smartphone, temperiert das Fahrerhaus per Zeitschaltuhr vor – und spart damit zusätzlich Strom.

Mit seinem E-Teil punktet der Nissan also, allein, das ist nicht genug für einen Transporter. Der Laderaum ist auf 4,2 m3 begrenzt. Immerhin passen Paletten quer zwischen den Radkästen hindurch, wenn der Staplerfahrer sauber zielt, zwei der Ladungsträger kommen unter.

Die Schiebetüren sind jedoch schmal und geöffnet nur ungenügend gesichert. Fixieren lässt sich dagegen die Fracht, denn außer den Zurrösen am Boden bringt der Nissan seitliche Zurrleisten mit.

Trotz seiner kräftigen Batterie und einem serienmäßigen Reserverad sortiert er sich bei den Leichtgewichten ein, das wird an Details wie der dünnen Bodenmatte deutlich. 600 Kilo Nutzlast bedeutet dann erneut Lieferwagenniveau. Aber, selten genug für E-Transporter, er darf einen Anhänger ziehen. Allerdings nur bis 410 Kilo und im Rahmen seines zulässigen Gesamtgewichts.

„Den Stromverbrauch kann der Fahrer mit seinem Temperament, dem Fahrmodus und mit seinem Bremsverhalten beeinflussen.“

E-Mobilität: mehr als Autos
Elektromobilität ist mehr als Fahren ohne Lärm und Abgase sowie Diskussionen über Reichweite und Kosten.

Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose, sie liefert Nissan gleich mit: In Zusammenarbeit mit Energieversorger Eon gibt es eine Wallbox mitsamt Installation für netto 1.567 Euro. Damit lassen sich auch die 40-kWh-Akkus des E-NV200 problemlos über Nacht aufladen.

Die Ladeleistung ist in drei Stufen skalierbar und passt sich automatisch der verfügbaren Stromkapazität an. Aus alt mach neu heißt es in einer Nissan-Recyclinganlage in Japan: Fürs halbe Geld können dort Besitzer von E-Autos aufbereitete statt der teuren neuen Batterien erhalten, wenn sich der Akku ihres Fahrzeugs dem Ende nähert.

Aber das ist nicht alles. Ausgediente Lithium-Ionen-Akkus verfügen noch über etwa drei Viertel ihrer Kapazität, viel zu schade zum Entsorgen. Nissan hat jetzt die Idee geboren, tragbare Batterien für Freizeitaktivitäten zu nutzen, zum Beispiel um die Stromversorgung von Caravans zu bestücken.

In Japan betreiben ehemalige Fahrzeugbatterien in Kombination mit Sonnenkollektoren die Straßenbeleuchtung der japanischen Kleinstadt Namie, nicht zufällig in der Region Fukushima gelegen. In Amsterdam unterstützen 148 Batterien die Beleuchtung eines Fußballstadions, sie dienen dort als Puffer bei Stromspitzen.

Erfreuliche Preise
Vorn in der schlicht ausstaffierten Fahrerkabine erinnert der Nissen von seinen Klapptürgriffen über eine gewisse Enge bis zu den einfachen Materialien an längst vergangene Zeiten japanischer Kompakt-Transporter. Es fehlt nicht nur an Raum, auch an Ablagen. Und sogar an Platz für Bedienungselemente. Wie sonst ist zu erklären, dass sich eine Handvoll Tasten für Nebenfunktionen vor den Schienbeinen des Fahrers versteckt? Die Sitze sind mäßig, Ladekabel stopft der Fahrer hinter seinen Platz.

Von mäßiger Qualität ist ebenfalls das simple Fahrwerk mit starrer, parabelgefederter Hinterachse. Leer wirkt der Nissan bockig, beladen dann recht sanft. Das Batteriepaket senkt den Schwerpunkt, prompt wirft er sich flott in die Kurve, neigt sich beladen dabei jedoch deutlich zur Seite. Mit seiner schlanken Statur flutscht er durch Engstellen, wenn andere längst steckenbleiben, auch führt der knappe Radstand zu einer verblüffenden Wendigkeit des Fronttrieblers.

Allerdings ebenfalls zu einem etwas unentschlossenen Geradeauslauf bei höheren Geschwindigkeiten. Dabei entpuppt sich der Nissan außerdem als windanfällig. Korrigiert der Fahrer dann wenig feinfühlig, gerät der Transporter ins Wanken.

Er entstammt also – abgesehen vom Antrieb – nicht unbedingt der automobilen Sterneküche, was sich in erfreulichen Preisen niederschlägt. Kostenbewusste steigen für netto 28.660 Euro in den E-NV200 ein, deutlich unterhalb des vergleichbaren Renault Kangoo Maxi ZE, vom größeren Mercedes E-Vito ganz zu schweigen.

Wer sich etwas gönnt, von der Schnellladetechnik bis zur Klimaanlage, investiert 33.060 Euro in die Variante „Comfort“. Zum Vergleich: Den NV200-Benziner gibt es ab 15.350 Euro, den Diesel für 17.290 Euro. Zur Gegenrechnung gehört, dass Strom weit weniger kostet als Sprit, beim Service der teure Ölwechsel entfällt und Fördermittel abgegriffen werden können. Sicherheit vermittelt eine Garantie von acht Jahren oder 160.000 Kilometer auf den Akku. Als kostenlose Mitgift kommen Jet-Sound und Dynamik hinzu.

Was unser Tester Randolf Unruh sagt:

Fahrerhaus
⊕ Informative und gut ablesbare Instrumente, Übersicht nach vorn gut, Heizung mit guter Wirkung, in „Comfort“-Variante sehr umfangreiche Ausstattung.
⊖ Knappes Platzangebot, kaum größere Ablagen, mäßige Sitze, teils unübersichtliche Bedienung, einfache Materialien, Spiegel ohne zusätzliches Weitwinkelglas.

Antrieb
⊕ Extrem antrittsstarker Motor, hervorragende Fahrleistungen, mehrere Fahrmodi, sehr niedrige Geräuschkulisse, vergleichsweise große Reichweite.
⊖ Bei Ausnutzung der Fahrleistungen eingeschränkte Reichweite.

Fahrwerk/Sicherheit
⊕ Kleiner Wendekreis, dank kompakter Abmessungen handlich. Hoher Komfort beladen. Gut ansprechende Lenkung mit gut angepasster Unterstützung.
⊖ Leer stark eingeschränkter Komfort, beladen deutliche Seitenneigung in Kurven, mäßiger Geradeauslauf, Gieren um die Hochachse bei Lenkeingriffe bei hohem Tempo, hohe Windempfindlichkeit. Sehr wenig Assistenzsysteme lieferbar.

Laderaum
⊕ Niedrige Ladekante, Zurrösen auch an Seitenwänden. Leichte Anhänger möglich.
⊖ Für Transporter geringes Volumen, Schiebetüren schmal und mit schwacher Verriegelung, einfache Bodenmatte, mäßige Beleuchtung.

Kosten
⊕ Anschaffungspreis vergleichsweise sehr günstig, Stromkosten deutlich niedriger als Kraftstoffkosten, absehbar niedrige Wartungskosten.
⊖ Wiederverkauf unklar, knappe Wartungsintervalle.

Randolf Unruh