Geradezu geschwisterlich teilen sich die Beiden wichtige Gene, und doch unterscheiden sie sich äußerlich und charakterlich. Bei fast sibirischen Temperaturen pflügte das franko-schwedische Duo durch die Grube.
Auf Sonne haben wir gehofft, doch dann kam es knüppeldick. Erst der Schnee und dann ein tiefkaltes Hoch aus dem Osten, und jetzt stand unser Test auf der Kippe. Kann unser Kieswerk jetzt überhaupt arbeiten? Der Anruf von Thomas Wachter gibt das entscheidende „Go“, der Betriebsleiter des MKU-Werks (Münchner Kies-Union) im Münchner Osten schränkt allerdings die Fahr- und Kletterstrecken in seinem sonst idealen Abbaurevier ein wenig ein. Über das Traktions- und Steigvermögen machen wir uns wenig Sorgen. Schließlich sind wir mit Vierachsern und zwei angetriebenen Achsen und griffigen Reifen unterwegs.
Nach engen familiären Banden sehen die beiden Kontrahenten nicht aus. Der Volvo FH mit seinem sehr üppigen Fahrerhaus ist uns bestens vertraut. Diesmal thront es hoch auf einen sehr massiven Rahmen, so überragt er den betont maskulin, fast martialisch auftretenden Renault-Truck. Dessen Fahrerhaus duckt sich fast auf einen eher schlanken Fahrgestellrahmen, der aus der Baureihe C stammt. Ein Fahrzeug für Straßen und eingeschränktem Offroadbetrieb, wie die Baureihenbeschreibung angibt. Aber mit der Front des Heavy-Duty-Modells „K“ und dessen Achsen – also doch mehr Geländetauglichkeit? Und der Volvo? Der rollt mit Bauluftfederung an beiden Antriebsachsen an den Start, trotz betonter Grubeneignung ein Komfortkipper? Alles deutet darauf hin: Der Innenraum bietet großes Wohlfühlaroma, viel Platz und eine Pausenliege, die das Power-Napping zwischendurch ziemlich erholsam gestaltet. Viel Motorleistung für souveränes Fahren, die elektrohydraulische Lenkung und noch viel mehr. Hat da der eher spartanische Franzose überhaupt den Hauch einer Chance, sich positiv zu positionieren?
Etwas schlichter, aber gekonnt
So ist es ja nicht. Nicht jeder braucht oder möchte ein so hochkonfektioniertes Fahrzeug. Bei überwiegend kurzen Distanzen, vielleicht auch aus Budget-Gründen, darf es oft etwas einfacher sein. Aber eine technisch simple Lösung mit rustikaler Note ist auch keine Lösung, heute jedenfalls nicht mehr. Da zeigt der vierachsige Renault C440, dass sich Fahrkomfort und schlichte Ausstattung nicht ausschließen müssen. Das Nahverkehrsfahrerhaus verdient sich auf Anhieb die ersten Sympathiepunkte. Die Einstiegshöhe beträgt nur gut 1,50 m, die Tür öffnet weit, und die drei Stufen sind griffig. Im Innenraum wartet ein moderner Arbeitsplatz, mit einem ansehnlichen Cockpit und passenden Dimensionen. Das Lenkrad möchte man vielleicht etwas steiler stellen, etwa wie im Volvo. Aber sonst passen Griff- und Trittweiten. Wie erwartet gibt sich der Renault betont französisch, man muss beim Fahrzeugwechsel umdenken – aber ehrlich, nach einer Stunde Fahrt hat man alles kapiert.
Auch der schwedische Volvo ist etwas anders, jedenfalls im Vergleich zur heimischen Konkurrenz. Aber die Umstellung fällt nicht sonderlich schwer, schnell sind die wichtigsten Handgriffe gelernt. Nur das Menü der vielen Getriebefunktionen gibt anfangs ein paar Rätsel auf, nicht jeder Griff zum Schalthebel am Sitz bringt sofort die gewünschte Wirkung. Dabei ist der Schwede hier ein Ass, sein hauseigenes I-Shift-Getriebe kann mehr als es
die meisten Konkurrenzprodukte vermögen.
Aber ehrlich, etwas einfacher könnte man dem Fahrer die Handhabung schon machen. Auch mit dem kurzen Dauerbremshebel rechts am Lenkrad hat wohl jeder seine liebe Not. So zieht man immer wieder am Scheibenwischerhebel, der etwas weiter unter dem Lenkradkranz herausragt – dieser Kritikpunkt müsste sich doch leicht aus der Welt schaffen lassen. Da gibt sich der Renault keine Blöße: Sein Motorbremshebel wird intuitiv bedient, auch der Getriebewählschalter am Lenkstock gibt schon nach wenigen Minuten keine Rätsel mehr auf. Und überhaupt: Der niedrigere Renault lässt sich mit seinen großen Scheiben hervorragend überblicken, mit nur einer Ausnahme. Die rechten Außenspiegel verdecken mit der A-Säule einen breiten Bereich, das haben die Schweden mit ihrem schlanken Spiegelkonzept besser gelöst.
Auf die Details kommt es an
Jetzt aber los und zuerst auf die Waage – mit wie viel Nutzlast darf der Betreiber kalkulieren? Der Renault C440 bringt 14.450 Kilo auf die Waage, mitsamt 255 Liter Diesel und 32 Liter Adblue. Der Volvo FH mit seinem massiven Rahmen ist schwerer, er wiegt vollgetankt (300 l Diesel plus 32 l Adblue) fast 15 Tonnen. 1:0 für den Renault, der nominell die gleiche Überlastfähigkeit besitzt. Beide Hersteller erlauben 37 Tonnen Gesamtgewicht, doch letztlich muss man sich die Details der Konfiguration genauer anschauen. Der Volvo mit 300 mm Rahmenhöhe und 8 mm Stärke ist deutlich überlastfähiger als der Renault, darauf weisen auch die verstärkten Dreiblatt-Parabelfedern der Vorderachsen hin. Deutlich mehr laden kann der Volvo ohnehin nicht. Seine Meiller-Dreiseitenkippbrücke auf dem Rahmen packt das gleiche Volumen wie die des Franzosen – nur eine voluminöse Halfpipemulde könnte dem Schweden hier einen Vorteil verschaffen.
Aber zuerst geht es ja leer Richtung Kieswerk. Der hochbeinige Volvo überrascht wieder mal mit einem angenehmen Federungskomfort. Trotz Dreiblattfederung vorn holpert und stolpert er nicht. Was das Fahrwerk durchlässt, wird von der fein abgestimmten Fahrerhausfederung verarbeitet. Und weil er bei Leerfahrt die zweite Antriebsachse anhebt, belastet diese das auf der Straße verbliebene Aggregat. Gleichzeitig werden mit verringerter Reibung Kraftstoffverbrauch und Reifenverschleiß vermindert, hier haben die Schweden eindeutig die Nase vorn. Und der Renault aus dem gleichen Konzern? Der muss auf diese Feinheit verzichten, kann aber auch ohne Ladung überzeugen. Der C-440-Vierachser federt vorn mit fein ansprechenden Zweiblattfedern, auch die schweren an Parabelfedern geführten Außenplanetenachsen bringen keine unbillige Härte ins Spiel.
Modern und effizient
Beim Volvo übt der routinierte MKU-Laderfahrer besondere Umsicht. Er positioniert seine Schaufel sehr exakt, bevor er sie in die Kastenmulde leert. Es sind die Seile der elektrischen Schiebeplane, die zur Vorsicht mahnen. Und Vorsicht beim seitlichen Kippen: Ohne vorheriges Aushängen der Seile entsteht großer Schaden. Denn der Volvo FH mit Dreiseitenkipper gibt sich modern und effizient, er öffnet die Plane und kippt ferngesteuert – aber ohne diese Vorkehrungen bitteschön nur nach hinten. Kein Problem beim Renault C 440, der tritt ohne Plane an, wieso eigentlich? Unser Testfahrzeug ist Teil des „All you need“-Fuhrparks, der interessierte Baukunden schnell mit vorkonfigurierten Komplettfahrzeugen bedient. Aber warum denn ohne Ladungssicherung?
Die normalen Steigungen in der Grube schaffen beide Kontrahenten mit links. Mit Längssperre kommen sie weit, der Volvo mit der liftbaren Antriebsachse fährt beladen ohnehin immer damit. Weil unter beiden Fahrerhäusern anfahr- und durchzugsstarke 13-l-Motoren werken, ist das Anfahren am Berg hier wie da eine leichte Übung.
Nur mit Gas gegen die elektrische Feststellbremse anfahren, einfacher geht es kaum. Übersteigt das Drehmoment des Motors die Haltekräfte, geht es ohne Ruckeln oder Zurückrollen nach vorn. Spielend einfach mit dem Volvo, der mit zwei Kriechgängen hohes Drehmoment mit wenigen Radumdrehungen auch auf rutschigen Boden bringt. Gleichermaßen funktioniert es auch beim Reversieren, der Renault verfügt hier über die gleichen Talente. Auch wenn der Volvo FH 500 mit bis zu 2.500 Nm Drehmoment besonders kräftig antritt, kann auch der 300 Nm schwächere Renault überzeugen. Er braucht vielleicht ein paar Touren mehr, um nach oben zu klettern. Hier legt sich der Franzose mit besonderem Traktionsvermögen ins Zeug. Denn wenn es über Verwerfungen und welligen Untergrund geht, bleiben seine beiden Antriebsachsen am Boden. Die zweite Antriebsachse besitzt gemäß Renault-Bauart keine Stoßdämpfer und kann sich somit weiter verschränken. Der Volvo mit seiner Bauluftfederung gerät hier eher an seine Grenzen.
Und wie immer spielen die Reifen hier eine wichtige Rolle. Die HSC1- und HDC1-Reifen (Continental) des Renault liefern hervorragenden Grip und sammeln kaum Steine im Profil – allerdings singen und dröhnen sie unter Belastung, dass es nicht immer eine Freude ist. Deutlich leiser rollen die Goodyear-Omnitracs des Volvo auf der Straße, allerdings nicht so traktionsstark, dafür sehr emsig beim Steinesammeln.
Auch wenn der Volvo FH 500 mit bis zu 2.500 Nm Drehmoment besonders kräftig antritt, kann auch der 300 Nm schwächere Renault überzeugen.
Souverän mit 32 Tonnen
Und wie schlagen sich die Beiden auf der Straße? Der stärkere Volvo FH 500 eilt natürlich voraus, man möchte ja im Test nicht auf das schwächere Fahrzeug auflaufen. Wie erwartet schultert der Schwede die gebotenen 32 Tonnen ungemein lässig, selbst wenn es über oberbayerische Voralpenstraßen geht. Der 500 PS starke Sechszylinder braucht selten mehr als 1.400 Umdrehungen, schnell schaltet das wieselflinke 12-Gang-Getriebe schon bei 60 km/h in den größten Gang. Dann mit weniger als 1.000 Touren und schon fast 2.500 Nm in der Hinterhand surft man gelassen Kilometer für Kilometer und spart dabei Kraftstoff und Verschleiß. Ob man so viel Leistung braucht? Nicht unbedingt, die D13-Maschine mit 460 PS stünde auch gut im Futter. Aber die Schweden sagen, der 500er sei ihr bestes Pferd im Stall. Etwas leichter noch als der 460er, mit leichterer Kurbelwelle soll er sogar noch etwas sparsamer laufen.
Da muss der Renault mit seinen 440 PS doch weit hinterherfahren, oder trügt da der Eindruck? Eindeutig ja, schon mit Blick auf die Beschleunigungswerte: Bis Tempo 60 kann der Franzose seinem schwedischen Bruder durchaus folgen. Er tritt fast so fulminant an und verharrt aber dann und wann in einem niedrigeren Gang. Der Renault kann seinem schwedischen Kontrahenten auf dem schweren Straßenkurs durchaus folgen. Sein DTi-13-Sechszylinder entspricht weitgehend der großvolumigen Volvo-Maschine, auch das talentierte Optidriver-Getriebe stammt aus dem Volvo-Konzern. Gleiche Übersetzungen, ein paar Gimmicks weniger, nur etwas weniger Drehmoment: Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Fahrleistungen überzeugen, auch beim Fahrverhalten gibt sich der Renault keine Blöße. Nur auf sehr welligen Fahrbahnen lenkt der komfortable Franzose ein wenig mit. Der Volvo ist hier nicht zu schlagen. Stoisch spurstabil passiert er auch diese Etappe, seine elektrohydraulische Lenkung hält den Vierachser präzise und reaktionsschnell auf Kurs. Nur das rechte Gefühl um die Mittellage will sich am Volant nicht einstellen und verunsichert die Testfahrer gerade auf winterlichen Straßen. Die Tester sind sich einig: Die konventionelle Renault-Lenkung macht auf der Straße einen verbindlicheren Eindruck.
Unsere Meinung
Etwas mehr geht immer, diese Rolle spielt der üppig konfigurierte Volvo FH 500 überzeugend. Mit diesem Komfortniveau hat der schwere Schwede die Nase vorn im Wettbewerb. Einzigartig für ein Baufahrzeug ist das Geräuschniveau im Innenraum – wie im Omnibus, einfach sensationell. Viel Motorleistung und überlegener Komfort münden nicht unbedingt in kürzere Umlaufzeiten, schonen aber den Fahrer und das Fahrzeug. Nur ausgerechnet beim Fahrerhaus muss Volvo unbedingt nachlegen. Das alte FMX-Fahrerhaus ist zu eng und kaum mehr akzeptabel, auch das hochgelobte FH-Fahrerhaus ist nicht jedermanns Sache. Man muss eben sehr hoch hinauf, ein- und aussteigen macht mehr Mühe als man möchte. Und nicht jeder will und braucht eine Schlafkabine.
Genau hier setzt der Renault an. Mit einer ganzen Palette gebrauchstüchtiger Bau-Fahrerhäuser mit moderater Einstiegshöhe und gekonnter Raumökonomie. Viel Platz, ergonomisch modern und sehr pflegefreundlich – und nicht unkomfortabel. Auch das eigenwillige Fahrwerk überzeugt mit Kompetenz, und die Antriebstechnik stammt von Volvo. Und das ist wahrlich keine schlechte Adresse.
Bis Tempo 60 kann der Franzose seinem Bruder durchaus folgen. Er tritt fast so fulminant an und verharrt aber teils in einem niedrigeren Gang.
Wolfgang Tschakert