Interview mit Jochen Hahn
Sechsfacher Europameister und aktuell Zweiter der Gesamtwertung des Goodyear FIA European Truck Racing Championships, Team Hahn Racing, auf Iveco
KFZanzeiger: Sie sind, wie der aktuell führende Pilot Norbert Kiss, sechsfacher Europameister. Wie sind Ihre Chancen in dieser Saison, ihn zu überholen?
Hahn: Realistisch gesehen glaube ich nicht, dass wir in dieser Saison in Schlagdistanz für die Meisterschaft sind. Unser Ziel ist es, den Neuaufbau vom vergangenen Winter so weit voranzubringen, dass wir Kiss zumindest ärgern können. Trotzdem habe ich den Anspruch, weiterhin an einem siebten Titel zu arbeiten.
KFZanzeiger: Wie verlief Ihr Weg zum Truck-Rennfahrer?
Hahn: Mein Vater war Nutzfahrzeugverkäufer. Daraus ist bei uns zu Hause das Truck Racing entstanden. Renntrucks sind mittlerweile unser Tagesgeschäft. Wir haben mehrere Angestellte, die nur Renntrucks bauen und entsprechende Kunden betreuen. Wenn Sie, wie Sie sagen auch bei Steffi Halm gewesen sind – das ist unser Team, unser Auto. Meine Frau Diana ist die Inhaberin von Hahn Racing und Schwabentruck. Dazu gehört hier fast das halbe Fahrerlager. Unser Geschäft ist es, diese zwei Teams am Laufen zu erhalten.
KFZanzeiger: Gilt das ebenfalls für Norbert Kiss und sein Revesz Team?
Hahn: Ja, ungarisches Truck Racing hat mit dem Team Hahn Racing begonnen. In den 2000er-Jahren mit dem Fahrer Balázs Szobi, der leider nicht mehr lebt. OXXO war bei uns in der Werkstatt und wir haben gemeinsam Renn-Trucks gebaut.
KFZanzeiger: Wie ist die Dominanz von MAN im Bereich des Truck Racing gewachsen?
Hahn: MAN bietet ein Modell an, bei dem Kunden, die einen MAN in diesem Sport betreiben wollen, Motoren leasen können. Renntrucks bauen können wir von jedem Hersteller, aber die Kunst ist es, einen Antriebsstrang oder Motor dafür zu bekommen. Wir haben einen Vertrag mit Iveco und werden unterstützt, aber es sind bei weitem schon zu viele Motoren. Iveco kann das Modell darüber hinaus so gar nicht anbieten. MAN hat es mittlerweile so perfektioniert, dass die Motoren dort auf dem Serienband gebaut werden. Sie bauen dort einmal im Jahr Rennmotoren in Serie.
KFZanzeiger: Wie sieht Ihr Interesse an Elektro-Trucks aus?
Hahn: Sie sitzen hier neben dem Konstrukteur des ersten Elektro-Renn-Trucks der Welt! Die Problematik ist, dass die Entscheidungen im Bereich Elektromobilität heute, politisch getrieben, zu kurzfristig geplant werden. So langsam aber sicher kommen die Hersteller mit Serien-Lkw ins Laufen. Sie haben funktionierende Produkte mit einer annehmbaren Reichweite, aber die Ladeinfrastruktur zum Beispiel hinkt immer noch ein bisschen hinterher. Man kann ja sogar fast froh sein, dass die Entwicklung und der Fortschritt nicht so schnell vorangeht, weil sonst die Autos überall stehen würden und man könnte sie gar nicht mehr laden.
Aber das wächst und der Weg wird dahin gehen. Das Nutzfahrzeug der Zukunft wird zu einem Teil mit Elektroantrieb fahren. Das ist sicher und ein Muss. Hersteller haben in den letzten Jahren sehr viel Geld investiert. Und auch andere Länder und Hersteller zeigen uns, dass es funktioniert. Wenn wir mal nach China schauen. Die führen uns an der Nase herum, was den Fortschritt angeht. Aber der europäische Markt wird nachkommen.
KFZanzeiger: Gibt es bald eine eigene Rennserie für Elektronutzfahrzeuge?
Hahn: Glaube ich nicht. Uns wollten sie nicht mitfahren lassen, weil sie Angst haben, dass sie verlieren. Das Fahrzeug hat kann von 0 auf 100 km/h in 2,8 Sekunden beschleunigen. Außerdem verbindet unsere Generation Emotionen noch mit dem Sound von Verbrenner-Motoren. Kommende Generationen werden das nicht mehr so empfinden. Dieser Wandel braucht aber noch Zeit.
Wenn wir heute die Welt anschauen, wird Nachhaltigkeit immer ein Thema sein auch in der Zukunft für alle Generationen. Und da muss unsere Generation jetzt natürlich beginnen, die Weichen zu stellen. Trotzdem verbinden wir heute und auch die Fans, die da draußen sitzen, den Rennsport mit dem Sound. Wir reden immer nur von Nachhaltigkeit. Wir müssen doch auch von Spaß reden. Wir müssen von Emotionen reden. Wir müssen Menschen begeistern, Menschen abholen und Menschen zum Lachen bringen und das vermisse ich heute. Es geht immer nur darum, was der Mehrwert ist oder die Nahchaltigkeit der Geschichte. Wie nachhaltig ist denn wenn wir was Schönes machen, zum Beispiel mit Freunden Pizza essen zu gehen und eine Flasche Wein zu trinken? Aber das ist durch nichts zu ersetzen.
Wir als Hahn Racing wollen ein Teil von dieser nachhaltigen Transformation sein, zu seiner Zeit. Aber wir können nicht mit dem Finger schnippen und sagen, heute ist alles grün. Das ist gelogen. Nachhaltig heißt, Kraftstoff muss mit regenerativen Energien gewonnen werden. Und da sollten wir ehrlch zueinander sein, das ist heute nicht der Fall. Bis Antriebe wirklich nachhaltig sein werden, haben wir einen Rennsport, der mit HVO 100 betrieben wird. Das ist der tatsächliche Übergang. Ich sage immer, macht den Strom günstig, dann ist es selbstregulierend.
KFZanzeiger: Wie ist hier beim Truck-Grand-Prix der Austausch hier mit Berufskraftfahrern? Haben Sie da eine gewisse Vorbild- oder Idolfunktion?
Hahn: Es geht nicht um eine Idol- oder Vorbildfunktion. Es geht darum, dass wir um den Stellenwert der Berufskraftfahrer in der Gesellschaft wissen. Der Berufskraftfahrer hat meiner Meinung nach einen viel höheren Stellenwert verdient. Daran müssen wir noch arbeiten. Die Leute wollen respektiert werden als Berufskraftfahrer. Mein Vater war Berufskraftfahrer. Ich komme selbst aus einer Berufsfahrerfamilie. Und ich muss auch sagen, dass die Berufskraftfahrer oft auch selbst schuld sind. Wir müssen schauen, dass wir an der Raststätte ein ordentliches Bild abgeben. Mir tut es weh zu sehen, wie der Berufskraftfahrer in der Wertigkeit der Gesellschaft heruntergerutscht ist, obwohl er sehr wichtig ist. Ohne Lkw geht nichts.
Aber noch weiter gedacht: Heute gibt es die Thematik, dass die ganzen Fahrerassistenzsysteme so schnell in den Markt hineinkommen, dass viele damit überfordert sind. Nicht Fahrer, sondern die Fahrzeuge. Man muss vielleicht einmal sagen: Leute, beruhigt euch, lasst uns die Generation sein, die die Richtung der Veränderung vorgibt, aber lasst uns das ordentlich abarbeiten. Davon sind wir mit unserer Arbeit im Rennsport ein Teil. Und das möchte ich auch sein. Wir haben Kinder und Enkelkinder, für die wir eine Verantwortung tragen. Aber wenn einer zu mir kommt und sagt, schmutzigen Motorsport brauchen wir nicht, dann finde ich die Argumente um zu verdeutlichen, dass es andere wichtige Dinge gibt.
KFZanzeiger: Inwieweit gibt es Innovationen von Rennställen in die Industrie gehen?
Hahn: Sehr viel. Vieles kann man nicht genau bewerten und sagen, wir haben das oder das eingespart oder Informationen gewonnen. Aber wir haben MAN und Iveco schon immer dazu verholfen, Problematiken zu sehen, bevor sie in der Serie auftauchen. Und das spart immens Kosten. Wir bekommen von den Herstellern Erprobungsteile, sei es im Bereich Lenkung, sei es im Bereich Motor, Getriebe, Hinterachse, egal wo. Man kann an einem Renntag wegen des höheren Verschleißes eine Simulation darstellen, die in der Serie einer viel längeren Laufzeit bedürfte und dann immense Kosten verschlingt. Sie reden hier mit jemandem, der Argumente haben muss, um einen Partner zu begeistern, der bereit ist, den Weg mit uns zu gehen.
KFZanzeiger: Haben Sie eine Lieblingsrennstrecke?
Hahn: Ich bin mittlerweile ein Freund von Oldschool-Rennstrecken. Dazu zählt Jarama in Spanien. Viele Jahre habe ich auch Le Mans gesagt, weil ich auch selbst da viele Erfolge gefeiert habe. Trotzdem liebe ich auch den Nürburgring. Für uns ist das wegen der vielen Termine aber auch eine Belastung. Damit meine ich nicht die Besucher und Fans.
KFZanzeiger: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hahn.
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Foto: Jürgen Schnackertz