Interview mit Steffi Halm
Deutsche ETRC-Fahrerin, nach dem ADAC Truck-Grand-Prix am Nürburgring und auch nach fünf von acht Rennen Dritte im Gesamtklassement, Team Schwabentruck, auf Iveco
KFZanzeiger: Wie sind Sie zum Truck-Rennsport gekommen?
Halm: Ich habe im Alter von zehn Jahren mit dem Gokart-Fahren angefangen, bin dann verschiedene Formel-Autos gefahren und Tourenwagen. Seit 2011 bin ich beim Truck Racing. Es gab die Anfrage eines Rennteams, das aus meiner Gegend kommt. Sie waren auf der Suche nach einem Fahrer und meinten, dass ein Mädchen vielleicht besser wäre als ein Junge, einfach auch marketingtechnisch.
KFZanzeiger: Wie ist das Feedback der Fans, insbesondere in Bezug darauf, dass Sie die einzige Frau in dieser Klasse sind?
Halm: Es ist tatsächlich so, dass sehr viele Leute auf mich zukommen, weil ich momentan die Einzige im Truck Racing bin. Ich glaube in der Zwischenzeit sind tatsächlich mehr Frauen als Berufskraftfahrerinnen unterwegs. Die sind natürlich mega begeistert, dass hier auch eine Frau mitmischt und auch immer wieder gut mitmischt. Es gibt aber auch viele Männer, die auf mich zukommen und sagen, dass sie das toll finden und mir besonders die Daumen drücken. Das ist sehr schön zu hören und auch einfach motivierend für mich, andere zu begeistern – auch für das, was sie im Alltag machen.
KFZanzeiger: Wie stehen Ihre Chancen, dass sie einmal Europameisterin werden?
Halm: Ich denke, die Chancen sind auf jeden Fall da. Wir müssen weiter arbeiten und schneller werden, ganz klar. Ich bin voll motiviert. Ich habe es bisher noch nie geschafft, unter die ersten Drei zu kommen. Wir sind momentan auf Platz 3 in der Gesamtwertung. Jetzt müssen wir noch ein bisschen weiter arbeiten. Das Auto muss in Kombination mit mir und meiner Fahrweise noch ein bisschen schneller werden. Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich keine Chance habe, irgendwann auch mal ganz oben zu stehen, dann würde ich es nicht mehr machen.
KFZanzeiger: Im zweiten und vierten Rennen orientiert sich die Startaufstellung nicht direkt an den Ergebnissen des Qualifyings. Können Sie bitte erklären, wie das Reglement aussieht?
Halm: Wir fahren an einem Rennwochenende vier Rennen. Zwei am Samstag und zwei am Sonntag. Jedem der beiden Renntage geht ein Qualifying voraus, dessen Ergebnis für die Startausstellung von Rennen 1 ausschlaggebend ist. Der Zieleinlauf des ersten Rennens hat Auswirkungen auf die Startausstellung für Rennen 2. Die Besonderheit ist allerdings, dass die ersten acht Plätze in umgekehrter Reihenfolge aufgestellt werden. Wir nennen das „Reverse Grid“. Das heißt, der Sieger von Rennen 1 startet von Startplatz 8 in Rennen 2. Und der Achtplatzierte aus Rennen 1 startet von der Pole Position in Rennen 2.
Das erste Rennen ist jeweils das wichtigere Rennen des Tages, weil es da für den Sieg 20 Punkte gibt. Dann geht es weiter runter auf 15 Punkte für Platz 2 und 12 Punkte für Platz 3. Danach geht es in Zweipunkteschritten herunter. Im Reverse Grid gibt es für den sieg nur zehn Punkte. Nichtsdestotrotz ist das zweite Rennen auch wichtig. Man möchte eben auch dort maximale Punkte mitnehmen. Es gilt dann auch zu akzeptieren, dass man nur drei oder zwei Punkte mitnimmt, weil man nur Achte oder Neunte wird.
Letztendlich ist es nicht dafür gedacht, dass auch einmal jemand gewinnt, der langsamer ist, sondern es geht darum, es für die Zuschauer interessanter zu machen, aber auch für uns Fahrerinnen und Fahrer. Weil nach dem Qualifying der Schnellste vorne steht und der Langsamste im Normalfall hinten – es sei denn, es gab irgendwelche technischen Probleme – gibt es oftmals nur wenige Zweikämpfe und infolgedessen weniger Action für die Zuschauer. Durch die umgedrehte Startreihenfolge steht eben nicht der Schnellste vorne. Das Feld bleibt dann enger zusammen und es gibt eher Zweikämpfe.
Für uns Fahrerinnen und Fahrer ist das eine zusätzliche Herausforderung. Wenn man von weiter hinten losfährt, hat man im Normalfall irgendwann jemanden vor sich, der ein wenig langsamer ist. Die andere Frage ist dann, ob es zum Überholen reicht. Mit den Lkw ist es grundsätzlich sehr schwierig zu überholen. Das liegt auch daran, dass wir auf 160 km/h limitiert sind. Die Strecke ist zudem nicht überall breit genug, um mit den Trucks, die selbst eine gewisse Breite haben, überholen zu können. Insofern ist es so, dass man deutlich schneller fahren könnte, aber keinen fairen Weg findet, am den Konkurrenten vorbeizukommen. Dann muss man einfach ruhig bleiben. Entweder macht er noch einen Fehler, dann rutscht man vielleicht durch, oder eben nicht, dann hat man eben einen Punkt weniger.
KFZanzeiger: Glauben Sie, dass es einmal eine Rennklasse für E-Trucks geben wird?
Halm: Hier gegenüber steht ein Prototyp von Iveco, den Jochen Hahn gebaut hat. Ein vollelektrischer Truck. Der hat eine Gruppe-4-Homologation der FIA. Er wäre also einsatzbereit. Allerdings macht es momentan keinen Sinn, eine Rennserie daraus zu machen, weil es nur dieses eine Fahrzeug gibt. Ich hoffe, dass es in diesem Bereich Fortschritte geben wird, damit wir irgendwann auch mit Elektro-Trucks Meisterschaften austragen können.
KFZanzeiger: Hätten Sie selbst Interesse dran, einmal Elektro-Truck zu fahren? Oder sind Sie schon einmal mit einem batterieelektrischen Truck gefahren?
Halm: Ich bin noch nicht gefahren, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich es einmal ausprobieren. Es muss gigantisch sein. Von der Beschleunigung her können wir mit den Autos, mit denen wir aktuell fahren, nicht mit den E-Trucks mithalten.
KFZanzeiger: Wie ist Ihre Meinung zu der Nachhaltigkeitsorientierung des ADAC Truck-Grand-Prix?
Halm: Ich glaube, wir sind die sauberste Rennserie, die es weltweit gibt. Wir fahren seit ein paar Jahren mit HVO 100. Und der Reifen, den wir fahren, ist eine Serienkarkasse. Das heißt, wenn wir sie nicht mehr benötigen, gehen die Reifen zurück zu Goodyear. Dort wird neues Gummi aufgelegt und dann geht es wieder auf die Straße.
KFZanzeiger: Haben Sie eine Lieblingsstrecke unter den acht Rennstrecken?
Halm: Wenn man das ganze Umfeld nimmt, ist es Misano. Ich mag das italienische Essen und die Nähe zu Iveco. Aber hier am Nürburgring, mit den ganzen Zuschauern, macht es am meisten Spaß zu fahren. Das ist einfach eine ganz andere Atmosphäre. Insofern ist der Nürburgring das absolute Highlight.
KFZanzeiger: Ist es eine Art Heimspiel für Sie?
Halm: Das gilt im Grunde für alle deutschen Fahrer.
KFZanzeiger: Wie kommt es dazu, dass es so viele deutsche Fahrer gibt?
Halm: In Frankreich, England und in den Niederlanden zum Beispiel gibt es eigene Meisterschaften und momentan ist das Niveau in der Europameisterschaft sehr hoch. Für viele ist der Schritt aus der nationalen Serie in die Europameisterschaft leistungsmäßig ein Problem, weil sie dann in ein neues Auto investieren müssten. Zudem sind die Entfernungen zu den einzelnen Rennstrecken größer und die Teilnahme an der Rennserie wird dadurch kostspieliger und aufwändiger. Für ein Rennwochenende benötigt man häufig eineinhalb Wochen Zeit. Das muss man zeitlich in den Griff kriegen.
Warum es aktuell so viele deutsche Fahrer gibt, weiß ich nicht. Das war nicht immer so. Deutschland war zwar schon immer recht gut vertreten, aber früher waren auch viele Engländer und Franzosen dabei, teilweise auch ein Finne. Das ist alles ein bisschen zusammengeschmolzen – ein bisschen schade. Wir hatten auch ein tschechisches Team, das vor ein paar Jahren aus der Rennserie ausgeschieden ist. Mit dem Norbert Kiss ist nun wieder Ungarn dabei. Es waren auch schon Österreicher dabei. Dass Schweden oder Norwegen nicht vertreten sind, hängt vermutlich mit den Distanzen zusammen. Wenn ein Team in Norwegen oder in Schweden sitzt und dann zum Beispiel nach Spanien fahren muss, ist das natürlich eine lange Wegstrecke. Dann kann man keinen anderen Job mehr ausüben, außer Truck Racing.
KFZanzeiger: Es gibt viele MAN-Trucks unter den Rennfahrzeugen, ein paar von Ivecos, einen Scania und einen von tankpool. Wie kommt diese Dominanz von MAN zustande?
Halm: Das liegt vor allem an der Verfügbarkeit. MAN hat die Rennserie sehr lange werkseitig mit Motoren unterstützt. Wenn man selbst keine Mittel dazu hat, kann man sich dort für ein Jahr einen Motor leasen. Das geht bei Iveco nicht. Wir von Schwabentruck selbst wollen nur ein paar Fahrzeuge haben und dabei soll es bleiben. Das heißt, du kannst dir einen Iveco bauen, aber es ist problematisch, einen Motor dafür zu bekommen. Wir wollten diesen Motorsport betreiben, aber wir wollten es erstmal nicht zu groß werden lassen. Klein, aber fein, mit hoher Qualität. Als MAN aus der Rennserie herausgegangen ist, haben sie es werkseitig einfach weiterlaufen lassen. Die Motoren kommen aber nicht mehr direkt von MAN.
KFZanzeiger: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Halm.
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Foto: Jürgen Schnackertz