Ist der Diesel noch zu retten? Die neue Biokraftstofflösung HVO 100 hat offenbar das Zeug dafür, als umweltfreundlicher Biodiesel der herkömmlichen Verbrennertechnologie ein neues Image zu verleihen.
Dieser Beitrag wurde exklusiv für die Website KFZ-anzeiger.com verfasst. Autor ist Herbert Schadewald.
Biodiesel ist wahrlich keine neue Erfindung. Dieser aus pflanzlichen und tierischen Bestandteilen gewonnene Kraftstoff ist seit Jahrzehnten immer mal wieder im Gespräch und erhitzte gelegentlich sogar heftig die Gemüter. So war und ist der Biodieseleinsatz nicht unumstritten. Denn die Diskussionen liefen dabei oft auf die Formel „Tank oder Teller“ hinaus. Inzwischen füllt seit knapp anderthalb Jahrzehnten jeder Dieselkunde auch Biodiesel in seinen Tank. Schließlich enthält der herkömmliche Diesel seit 2009 jeweils sieben Prozent Biodieselanteile. Für dieses Mischungsverhältnis war und ist keine technische Freigabe der Fahrzeughersteller erforderlich.
Ende August informierte UTA Edenred über einen neuartigen Wunderkraftstoff: HVO 100. Es handelt sich dabei um einen umweltfreundlichen synthetischen Diesel aus hydriertem Pflanzenöl. Dieses Produkt „ermöglicht den klimafreundlichen Betrieb von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und ist zudem besonders nachhaltig“, heißt es in der UTA-Pressemitteilung. Im Gegensatz zu bisherigen Biokraftstoffen werden für die HVO-Herstellung keine speziellen Energiepflanzen angebaut, sondern es werden lediglich Abfälle aus der Lebensmittelindustrie und der Landwirtschaft verwendet. Und da HVO chemisch dem fossilen Diesel ähnelt, kann dieser biologisch gewonnene Kraftstoff auch als purer Dieselersatz verwendet werden.
Große Hersteller sehen sich bereits für Biodiesel gerüstet
Unsere Umfrage bei den Lkw-Herstellern ergab, dass alle einhellig bestätigten, ihre Motoren könnten HVO 100 problemlos vertragen. Das trifft bei DAF für alle „Lkw der neuesten Generation“ zu – für die Serien LF und XD vom Verteilerverkehr sowie für die Spitzenmodelle XF, XG und XG+ für spezifische Anwendungen, für Schwerlasttransporte und den Fernverkehr. Auch die großen Daimler-Motoren der neuesten Generation sind HVO-tauglich.
„Für die Nutzung aller Mischverhältnisse aus den freigegebenen Kraftstoffen und von reinen HVO/XTL-Kraftstoffen im Iveco S-WAY und X-WAY mit Cursor-9-, Cursor-11- und Cursor-13-Motoren und im Iveco T-WAY mit Cursor-9- und Cursor-13-Motoren sind keine technischen Umrüstungen oder spezielle Anpassungen erforderlich. Alle Iveco-Daily mit F1A 2,3l-Motor sind zudem standardmäßig und mit F1C 3,0l-Motor optional ab Werk für HVO/XTL gemäß EN15940 freigegeben. Im Gegensatz zu Biokraftstoffen der ersten Generation gelten für HVO weiterhin unverändert die Garantiebedingungen und gleichen Wartungsintervalle“, ließ Iveco wissen.
Auch bei MAN sind keine Motorveränderungen notwendig, wenn die aktuellen Dieselmotoren (D08-D38 nach Euro 6e) neben dem herkömmlichen Diesel nach DIN EN 590 mit dem HVO nach DIN EN 15940 betrieben werden. Ebenso verhält es sich mit den Baureihen von Renault, die schon „seit einigen Jahren für HVO geeignet und freigegeben“ wurden. „Mit den heutigen Motoren lässt sich schon jetzt viel anfangen, um die Klimabilanz zu verbessern. Beispielsweise können sowohl neue als auch ältere Diesel-Lkw von Volvo mit HVO betrieben werden“, berichtet Lars Mårtensson, Direktor Umweltschutz und Innovation bei Volvo Trucks. Er verweist darauf, dass gerade HVO „sehr wenig CO2-Nettoemissionen erzeugt“. Doch die besondere Herausforderung sieht er darin, „dass die Verfügbarkeit von Biokraftstoffen weiterhin so begrenzt ist“.
Höhe der Besteuerung noch offen
Allerdings wird HVO in Schweden schon seit Jahren angeboten. Jedoch hält sich die Nachfrage in engen Grenzen. Denn der Marktanteil beträgt lediglich 3,5 Prozent – trotz der erhofften Klimawirkung. Vermutlich scheuen Unternehmer die Mehrausgaben. Schließlich kostet der HVO-Liter umgerechnet rund 50 Cent mehr als der normale Dieselliter.
Auch hierzulande wird der umweltfreundliche Biodiesel stets kostenintensiver sein als der bisherige Normaldiesel. Davon ist Andreas Menne, Kraftstoffexperte vom Fraunhofer-Institut überzeugt. Gegenwärtig sind es etwa 15 Cent pro Liter. Um aber HVO 100 überhaupt an den deutschen Tankstellen offiziell verkaufen zu können, bedurfte es eine Änderung der 10. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchV). Darauf einigte sich inzwischen die Ampelkoalition. Somit darf dieser neuartige Kraftstoff nun angeboten werden. Offen ist aber weiterhin ab wann und in welcher Höhe er besteuert wird.
„Jedes Fahrzeug, das mit HVO betrieben wird und damit weniger CO2 emittiert, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz“, betont Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Allerdings fehle es an den notwendigen Altfetten, macht der Mineralölindustrieverband deutlich: „Das Angebot an HVO reicht aktuell und auch in den nächsten Jahren absehbar nicht für die Nachfrage.“ So wird die neuartige Abfallenergiequelle perspektivisch wohl eher vor sich hinplätschern als kraftvoll zu sprudeln.
Hintergrund: Über Biodiesel
Durch Umesterung von pflanzlichen und tierischen Fetten und Ölen mit einwertigen Alkoholen wie Ethanol oder Methanol gewinnt die chemische Industrie einen Kraftstoff, der in der Verwendung dem mineralischen Diesel gleichwertig ist. Dieser Biodiesel lässt sich mit dem Petrodiesel in jedem Verhältnis mischen. Gegenüber dem herkömmlichen Diesel auf Mineralölbasis verursacht der Biodiesel weniger Emissionen, obwohl die Rohemissionen von Stickoxiden höher liegen. Da die Gewinnung von Biodiesel aus nachwachsenden Rohstoffen erfolgt, ist er biologisch abbaubar. Außerdem verfügt er über gute Schmiereigenschaften, was bei Verwendung von schwefelarmem Diesel vorteilhaft ist. Mit HVO 100 wolle UTA seinen Kunden den Schritt zu mehr Nachhaltigkeit im Fuhrpark ermöglichen. Und dazu könne dieser synthetische Diesel eben einen wichtigen Beitrag leisten, um die Umwelt- und Klimabilanz der Flotten zu verbessern, betont UTA-Edenred-Manager Richard Röhr.
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