Die Europäische Kommission wünscht sich, die CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2040 um 90 % zu reduzieren. Dabei gelten batterieelektrische LKW derzeit als eine dazu passende Lösung ab. Das Forschungsprojekt Spirit-E, getragen von Industrie und Wissenschaft, will zu diesem Ziel beitragen. Zu einem konkreten Ansatz gibt es zwei sogenannte Reallabore.
Im europäischen Straßenverkehr gelten Nutzfahrzeuge für etwa 38% der Treibhausgasemissionen als verantwortlich. Potenzial für eine nachhaltige Emissionsreduktion kann die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen mit Batterietechnologie bieten. Die notwendige Technologietransition stellt jedoch sowohl Fahrzeughersteller als auch Spediteure vor Herausforderungen. Limitierende Faktoren sind hoher Kostendruck gepaart mit hohen Anforderungen an Nutzlast, Reichweite und Effizienz. Für den effizienten Betrieb der Fahrzeuge bieten sich Lenk- und Ruhezeitpausen sowie allgemeine Standzeiten zum Zwischenladen an. Hierfür ist eine gut ausgebaute und flexibel zugängliche Ladeinfrastruktur mit hohen Ladeleistungen (> 500 kW) notwendig, die Stand jetzt allerdings nahezu nicht verfügbar ist. Bei öffentlicher Ladeinfrastruktur kommen die langen Prozesszeiten beim Bau sowie der Platzmangel entlang der Logistikhauptachsen bzw. Autobahnen erschwerend hinzu.
Forschungsprojekt Spirit-E setzt auf anwendungsnahe Reallaboren
Das Forschungsprojekt Spirit-E hat das Ziel, die bestehenden Hürden in der Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs zu identifizieren und praxisorientierte Lösungen zu erarbeiten. Dazu werden Reallabore an zwei Logistikstandorten aufgebaut und Entwicklungsergebnisse in ihrer Praxistauglichkeit erprobt. Das Projekt verfolgt den aussichtsreichen Lösungsansatz, die private Ladeinfrastruktur an Logistikstandorten externen Spediteuren und deren Fahrzeugen zur Verfügung zu stellen. Durch Reservierungsmöglichkeiten der einzelnen Ladepunkte wird die geteilte Ladeinfrastruktur zur Anwendung gebracht. Um die Nutzfahrzeuge in das lokale Energiesystem und übergeordnet in das Stromnetz zu integrieren, erfolgt zudem die Implementierung bidirektionalen Ladens und eröffnet Potentiale für innovative energiewirtschaftliche Anwendungen. Das erfordert vielfältige Innovationen in den Bereichen Fahrzeugtechnik, Ladehardware, (bidirektionales) Lade- und Energiemanagement sowie Kommunikationsschnittstellen zwischen allen Beteiligten.
Neue Möglichkeiten durch bidirektionales Laden
Durch die Verfügbarkeit der privaten Ladepunkte für externe schwere Nutzfahrzeuge, erreichen Spediteure bzw. Depotbetreiber eine höhere Auslastung ihrer Ladeinfrastruktur. Die gemeinsame Nutzung vermeidet Engpässe, nutzt Ressourcen effizient und refinanziert Investitionen des Betreibers schneller. Um eine zuverlässige Planung der Ladepunkte und Leistungskapazitäten sicherzustellen, wird ein digitales Reservierungssystem entwickelt und im Reallabor getestet. Im Betrieb reservieren Eigen- als auch Fremdfahrzeuge Ladepunkte und gewährleisten reibungslose Abläufe sowie gerechte Ressourcenverteilung, sowohl im Logistikdepot als auch im öffentlichen Ladenetz.
Die bidirektionale Ladefunktion ermöglicht darüber hinaus neue, energiewirtschaftliche Anwendungsmöglichkeiten, indem überschüssige Energie ins Netz zurückgespeist und der Fahrzeugspeicher vermarktet wird. Das führt zu neuen Geschäftsmodellen und erheblichen Kostenvorteilen für Depotbetreiber. Darüber hinaus können Lastspitzen am Logistikstandort vor allem in Hinblick auf erneuerbare Energien reduziert werden und system- sowie netzdienliches Be- und Entladen betrieben werden. Für den reibungslosen Betrieb müssen relevante Informationen zwischen den beteiligten Marktakteuren souverän ausgetauscht werden. Daher werden im Forschungsprojekt Spirit-E Datenräume integriert, die eine Kopplung von Energie- und Transportsektor-Daten sicherstellen.
Damit verbunden ist eine intelligente Netz- und Systemintegration in bestehende Stromnetze: Das Energiesystem steht mit dem Übergang zu vielen dezentralen Erzeugungseinheiten geringerer Leistung und dem Wegfall von zentralen Kraftwerken im mehrstelligen MW-Leistungsbereich vor enormen Herausforderungen. Systemdienstleistungen wie Frequenzhaltung oder Engpassmanagement stammen aufgrund steigender Einspeisung volatiler Energiequellen zunehmend aus neuen Flexibilitätsquellen. Neben dem Netzausbau müssen daher neue Prozesse, IT-Systeme und standardisierte Schnittstellen definiert und entwickelt werden, um die neuen dezentralen Verbrauchseinrichtungen zu integrieren.
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