Mit dem Ausreiseverbot für wehrfähige ukrainische Männer stehen seit Februar noch weniger Fahrer zur Verfügung.
Gestörte Lieferketten und fehlende Transportmöglichkeiten können große Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Versorgung der Bevölkerung nach sich ziehen. Bilder von leeren Supermarktregalen wie in Großbritannien sowie Produktionsstillstände wegen fehlender Vorprodukte sind auch für Deutschland nicht auszuschließen. Die gravierende Knappheit an Berufskraftfahrerinnen und -fahrern ist deshalb auch gesamtwirtschaftlich eine Herausforderung.
Die Nachfrage nach Fahrpersonal übersteigt das Angebot in der EU insgesamt bei Weitem. Das Logistikgewerbe und die Busunternehmen bemühen sich seit Jahren intensiv darum, im Inland und EU-Ausland Fahrer zu gewinnen und die Attraktivität des Berufs weiter zu verbessern. Die Politik arbeitet daran, die Zahl der LKW-Parkplätze zu erhöhen, damit die Fahrer die Lenk- und Ruhezeitenregelungen einhalten können. Der DIHK hat mit seinen Goldenen Rampenregeln einen Beitrag zu besseren Arbeitsbedingungen und damit einer höheren Attraktivität der Fahrerberufs geleistet. Die aus der Praxis heraus entwickelten Empfehlungen sollen allen Beteiligten nutzen: den Verladern, den Waren-Empfängern, den Transportunternehmern, den Fahrern und der Umwelt. Standzeiten können so verkürzt und Planungen für alle Seiten verbessert werden.
Diese Maßnahmen allein werden aber nicht ausreichen. Um den Bedarf zu decken, bräuchte es derzeit allein in Deutschland 60.000 bis 80.000 zusätzliche Fahrer. Bezogen auf Europa wären es sogar 400.000. Zudem ist ein Drittel der Berufskraftfahrer älter als 55 Jahre. Die Zahlen zeigen: Ohne den Einsatz von Berufskraftfahrern aus Drittstaaten wird es nicht möglich sein, dem aktuellen Mangel an LKW- und Omnibusfahrern in Deutschland und der EU zu begegnen. Die Hürden hierfür sind allerdings hoch. Voraussetzung für den Erwerb eines Fahrerqualifizierungsnachweises in Deutschland ist beispielsweise ein Wohnsitz in der EU – eine Hürde, an der Interessenten aus Drittstaaten in der Regel scheitern. Allein hierdurch gehen der Branche jährlich circa 5.000 Fahrer verloren.
Aufgrund der Erfahrungen der Unternehmen schlägt der DIHK konkrete Maßnahmen vor, die einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten können. Die Schlüssel seien Bürokratieabbau sowie bessere Arbeitsbedingungen: Wichtig wäre, dass auch Fahrer, die keinen Wohnsitz in der EU haben, eine gültige Fahrprüfung in einem EU-Staat ablegen können. Zudem sollten Qualifikationen aus Drittstaaten anerkannt werden, sofern die Prüfungen dem EU-Standard entsprechen. Dies gilt insbesondere für Westbalkan-Staaten, deren Berufskraftfahrerqualifikation mit Blick auf einen künftigen EU-Beitritt bereits den europarechtlichen Vorschriften entspricht.
Mit der Umsetzung dieser Vorschläge würde es wesentlich einfacher, Berufskraftfahrerinnen und -fahrer zu gewinnen, so der DIHK. Dies könnte einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Lieferketten und zur Sicherstellung des öffentlichen Personennahverkehrs leisten.