Für den 28. und 29. Februar hatten die Bundesvereinigung Logistik (BVL) und der Verband der Automobilindustrie (VDA) zum „Forum Automobillogistik 2024“ eingeladen. Gastgeber der Fachtagung war die Daimler Truck AG in Wörth am Rhein. Der weltweit größte Produktionsstandort für Lkw gilt als ein exzellentes Beispiel dafür, dass eine möglichst reibungslose Logistik für ein rentables Unternehmen und zufriedene Kunden gleichermaßen relevant ist. Zudem will der Lkw-Hersteller den gesamten Standort inklusive Werkslogistik dekarbonisieren. In seiner Keynote betonte auch Dr. Michael Nikolaides von der BMW Group, dass Logitik „ein zentraler Wettbewerbsvorteil“ ist.
Der Beitrag ist noch nicht im KFZ-anzeiger erschienen, seine Erstveröffentlichung erfolgt online. Autorin ist Dr. Susanne Roeder.
Das Motto des Forums Automobillogistik „Alles elektrisch – die Logistik in der neuen Mobilität!“ war weit gefasst, bezog neben Fragen der reinen Logistik auch Nachhaltigkeit im Verpackungswesen ein. Themen wie Standortbestimmung in Sachen Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfreudigkeit in Deutschland wurden in Impulsvorträgen und Podiumsdiskussionen erörtert.
„Vorreiterrolle beim nachhaltigen Transport“
In ihrer Eröffnungs-Keynote „Leading Sustainable Transportation“ machte Mercedes-Benz Trucks Vorständin Karin Rådström (Foto oben) unmissverständlich klar, dass ihr Unternehmen die Speerspitze für die Dekarbonisierung und Defossilisierung des Güterverkehrs auf der Straße abbilde. Dazu sei eine elektrische Doppelstrategie zwingend: rein batterieelektrischer und brennstoffzellenbetriebener Transport. Für jeden Bedarf habe man den passenden Truck, sagte sie mit Blick auf die vielen Vertreter von Speditionen. In Wörth ist die Zielrichtung beim Inbound- und Outbound-Verkehr fest vorgeschrieben. „Wir haben das klare Ziel, den Lieferverkehr in unser größtes Lkw-Werk bis Ende 2026 zu 100 Prozent zu elektrifizieren.“
Daimler Truck will bei der Dekarbonisierung eine entscheidende Rolle spielen. Welche Bedeutung die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs allein auf Europas Straßen habe, zeigte die Schwedin an einem Zahlenwerk. Sechs Millionen Trucks seien derzeit in Europa unterwegs. Davon, so die Vorständin, sind etwa 96 Prozent Dieselfahrzeuge, die zusammen circa 210 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Das entspreche 7 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen.
„Das ist eine große Chance für uns alle hier“, richtete sich Rådström die rund 500 Zuhörer im Auditorium. „Denn wir in der Logistik- und Transportindustrie sind an einem wichtigen historischen Punkt angekommen, wo wir, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen und Mut haben, dabei eine Rolle spielen können, dies für die Zukunft zu ändern.“
Daimler Truck jedenfalls will bis 2030 bis zu 60 Prozent emissionsfreie Trucks verkaufen. Bis 2039 wollen die Stuttgarter gar zu 100 Prozent Zero-Emissions-Lkw verkaufen. „Nicht nur in der EU, auch in Amerika, Japan und in manchen unserer anderen wichtigen Absatzmärkte.“ Das brauche schlichtweg Mut und gute Entscheidungen, sei aber bitter notwendig, wolle man mit der Dekarbonisierung wirklich ernsthaft vorankommen.
Logistik neu gedacht
Viele der Kernkomponenten von E-Pkw kommen aus Regionen, in denen geopolitische Konflikte bestehen. Das System der weltweit vernetzten automobilen Lieferketten muss überdacht und neugestaltet werden.
Dass die Logistik im Zeitalter elektrischer Mobilität eine echte Herausforderung ist, darin waren sich Matthias Braun, bei der Volkswagen Group zuständig für Operations Logistics, und Eva Ames, Vizepräsidentin des Electrification & Mobility Competence Center (EMC2), das die Wolfsburger berät, während ihres lockeren Gedankenaustauschs coram publico absolut einig. Gerade weil sich das Produktionssystem komplett ändere, gelte es, die Lieferkette neu zu durchdenken. Beide bekennen sich dazu, ihre etablierten Vorgehensweisen ändern zu müssen. „Aber Änderungen brauchen Zeit, auch bei einem Logistikanbieter“, warf Ames ein. Deshalb müsse man vorausdenken, sich die neuen Spielregeln ansehen und den Wandel gemeinsam wuppen. Daher der Aufruf der Amerikanerin: „Wir müssen da mit Partnern gemeinsam durchnavigieren.“ Es gehe nicht darum, Verträge abzuschließen, sondern zusammenzuarbeiten. Dabei, so ihr Sparringspartner Braun, „müssen wir die Erfahrungen nutzen, die wir haben. Und: Wir müssen stark werden im Interagieren.“
Mehr Pragmatismus und von China lernen
Brauns Partnerin auf diesem Weg betont: „Lernen wir von China! Seien wir pragmatischer. Und zeigen wir grundsätzlich Neugierde für unsere Branche.“ Zu guter Letzt rief sie ihre Zuhörer dazu auf, sich auf diese Form des neuen partnerschaftlichen Dialogs einzulassen, weil man so schneller Lösungen finde.
Bei der BMW Group sieht man dies ähnlich. Dort heißt das alles überragende Konzept „Local for local“. In seiner Keynote nannte Dr. Michael Nikolaides (Foto), Leiter Logistikmanagement der BMW Group und globale Strategie, vor allem vier Kriterien als zukünftig wettbewerbsentscheidend: die Fähigkeit der Integration, Resilienz, Digitalisierung und andere Innovationen sowie last but not least Nachhaltigkeit. „Die Logistik ist vom Möglichmacher zum Wettbewerbsentscheider geworden“, sagte der promovierte Physiker, der vor seiner jetzigen Position viele Jahre als Senior Vice President für Motoren- und elektrifizierte Antriebsstränge zuständig war. Durch die Krisen der letzten Jahre, aber auch durch die Volatilität und die eigentlich nicht mehr vorhandene Möglichkeit für Prognosen sehe man: „Wenn wir die Steuerung des Produktionsprozesses inklusive Logistik gut beherrschen, ist es ein zentraler Wettbewerbsvorteil.“
Durchdachte Logistik als entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Automobilindustrie
Die Einführung der neuen Fahrzeugklasse hat BMW dazu veranlasst, die gesamte Produktion gewissermaßen auf den Kopf zu stellen. Sie wird auch in München eine Heimat bekommen. Dafür bauen die Bayern ihr Stammwerk komplett um. „Hier spielt die Logistik unserer Meinung nach eine zentrale Rolle als Wettbewerbsvorteil.“ Nikolaides weiter: „Mit Local for local reagiert unsere Logistik auf die zentrale Anforderung, sich resilient in der Welt aufzustellen.“
Die sechste Generation der eDrive-Technologie und damit der neue Elektroantrieb werde in alle Fahrzeugwerke kommen. Dafür werde die neue zentrale Komponente des Fahrzeugs, der Energiespeicher, alsbald jeweils in unmittelbarer Nähe zum jeweiligen Standort produziert. Als Beispiel nennt der BMW-Mann Woodruff in South Carolina, wo seit letztem Sommer ein Produktionsstandort für die Energiespeicher entsteht, die dann im großen Werk in Spartanburg verbaut werden. Woodruff ist gerade mal sechs Meilen von Spartanburg entfernt. „Genau das ist der Ansatz von Local for local“, so Nikolaides. „Wir halten es für geboten, die Supply Chain zu entflechten.“
Nichts geht mehr ohne Innovationen und Digitalisierung
In der Krise haben viele Hersteller gesehen, wie wichtig Echtzeitfähigkeit und Datentransparenz sind. Das hat bei BMW dazu geführt, dass das Unternehmen, bevor es mit seinem Local-for-local-Ansatz ein Werk in Betrieb nimmt, dieses schon zu 100 Prozent digital abbildet. „Wenn Sie einen digitalen Zwilling haben von Ihren Anlagen, Ihrer Fabrik, Ihrer ganzen Logistik, dann können Sie sehr viel vorab testen. Sie können zum Beispiel einen autonomen Trailer einsetzen und sehen, was da passiert. Tatsächlich setzen wir die sogenannten Smart Transport Robots, also voll autonomische elektrische Transportplattformen, in der Intralogistik ein.“ Über 600 dieser autonomen mobilen Roboter namens iw.hub seien bereits im Einsatz.
Nachhaltigkeit und Effizienzsteigerung als Geschäftsmodell
Wie die „konsequente Dekarbonisierung von Produktionsstätten und Wertschöpfungsketten“ funktionieren kann, zeigte Frank Vorrat, Vizepräsident Supply Chain Solutions beim dänischen Konzern Danfoss Climate Solutions. Schon seit 2022 sei man in der dänischen Gemeinde Nordborg mit knapp 15.000 Einwohnern CO2-neutral. „Energieeffizienz als Dienstleistung ist ein Geschäftsmodell“, so der Hamburger. Auch Automobilhersteller mit ihren großen Produktionsstätten achten seit vielen Jahren darauf, ihre Gebäude energieeffizient aufzustellen mit dem klaren Ziel der Klimaneutralität.
Preis für Plattform für das intelligente Transportmanagement von Bosch
Bei der Verleihung des VDA Logistik-Awards konnte sich in diesem Jahr die Robert Bosch GmbH über die begehrte Auszeichnung freuen. Die Stuttgarter erhielten den „Oscar der Automobillogistikbranche“ (VDA-Präsidentin Hildegard Müller) für ihr innovatives Konzept der integrierten Plattform Next Generation Transport Management (NGTM).
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