Schon im Januar deutete Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) an, dass das Jahr 2023 ganz erfolgreich war. Jetzt blickte der Hersteller mit weiteren Zahlen auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Und voraus auf spannende neue Transporter.
Dieser Beitrag erscheint auch im KFZ-anzeiger in Ausgabe 2/24, Sie finden vorab und in voller Länge bereits auf KFZ-anzeiger.com. Autor ist Randolf Unruh.
Franz Beckenbauer hat es gewusst: „Gute Freunde kann niemand trennen, gute Freunde sind nie allein“, sang der damalige Jung-Nationalspieler in den Sechzigern mühsam, begleitet von zaghaftem Beifallklatschen seiner Mannschaftskameraden. Gute Freunde sind auch Volkswagen Nutzfahrzeuge und Ford seit einigen Jahren. Haben sie inzwischen doch drei Doppelbaureihen auf der Straße: VW Caddy/Ford Connect, Ford Ranger und VW Amarok, in Kürze Ford Custom/VW Transporter. Der jeweils Erstgenannte hat die Leadfunktion für Entwicklung und Fertigung inne.
Die beiden Automobilriesen aber teilen nicht alles. Der schmucke ID. Buzz ist und bleibt ein VW. Und beim neuen Ford Courier zeichnet sich bisher noch kein VW-Pendant ab. Interessant wird’s bei den Großtransportern. VW Crafter und sein Zwilling MAN TGE hier und der Ford Transit dort sind bislang auf separaten Fahrspuren unterwegs. Nun hat Carsten Intra, Chef von Volkswagen Nutzfahrzeuge, den nächsten eCrafter für 2028 angekündigt. Gefertigt auf der kommenden VW-Konzernplattform SSP.
Eine Plattform für alle E-Fahrzeuge
Mit der Scalable Systems Platform (SSP) entwickelt VW die nächste Generation einer rein elektrischen, volldigitalen und hochskalierbaren Mechatronikplattform auf Basis einer einheitlichen Software Architektur. Klingt kompliziert, bedeutet aber ganz einfach: eine für alle. Eine einzige E-Plattform vom nächsten eGolf bis zum eCrafter.
SSP klingt verlockend. Die Rede ist unter anderem von Lithium-Eisen-Phosphat-Version (LFP). Sie kommen ohne Schwermetalle aus, sind kostengünstig, umweltschonend und langlebig. Auch vertragen sie eine hohe Ladeleistung. So soll das Ziel von VW heißen, an der Schnellladesäule innerhalb von lediglich einer knappen Viertelstunde den Ladestand von zehn auf 80 Prozent anzuheben. Von SSP wird eine eigene Nutzfahrzeug-Plattform für die Transporter angeleitet. Mit dem kommenden eCrafter gehört Volkswagen Nutzfahrzeuge im Konzern sogar zu den Pionieren. Vertriebs-Chef Lars Krause ist angesichts der zurzeit gut laufenden Crafter-Verkäufe von Berufs wegen optimistisch: „Das muss ein Smash werden.“ Und: „Wir glauben nicht, dass wir 2028 zu spät dran sind.“ Große Frage: Werden der inzwischen schon elf Jahre alte Ford Transit und der VW Crafter also ab 2028 zusammengeführt, oder fahren sie weiterhin parallel?
Mittelgroßer E-Transporter von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Aussicht gestellt

Der nächste VW Transporter stammt vom Ford Transit Custom ab, aber VW legt nach.
VWN-Chef Carsten Intra setzt sogar noch eins drauf: Im Gefolge des eCrafter auf der SSP-Plattform wird ebenfalls ein mittelgroßer E-Transporter an den Start gehen. Er wird in unmittelbarem Wettbewerb zum zurzeit komplett neu aufgelegten Modell aus der Kooperation mit Ford stehen. Es wird ebenfalls auch vollelektrisch angeboten. Mit einem E-Antrieb aus dem Hause Ford, versteht sich. Die Zusammenarbeit zwischen VW und Ford ist zwar erst wenige Jahre alt. Indes stammt sie aus einer vergangenen Manager-Ära. Die damals bei VW Verantwortlichen – Konzernchef Herbert Diess und Thomas Sedran von Volkswagen Nutzfahrzeuge – wurden längst verabschiedet oder versetzt. Gute Freunde kann niemand trennen? Es wird spannend.
Die guten Freunde von Ford sind derweil vorwitzig unterwegs. Haben den Connect Hybrid schon im Detail angekündigt, auch eine praktische Klappsitzbank für den Transit Connect gezeigt und VW damit eine Nase gedreht, denn beides sind VW-Entwicklungen. Und während Ford fleißig seinen Custom verkauft und ausliefert, ist der darauf basierende VW Transporter zwar bereits in einigen Varianten seit Jahresbeginn bestellbar, soll aber erst im September zur IAA Transportation offiziell gezeigt und ab Dezember ausgeliefert werden.
Das zieht sich wie Kaugummi, ebenso beim eCrafter: Das bisherige Modell, ein standardisierter Kastenwagen mit kleiner Batterie und mäßig starkem Motor vom damaligen E-Golf, ist längst nicht mehr konfigurierbar, das Jahr 2028 ist weit und der Wettbewerb mit großen und kräftigen E-Transportern stark wie nie. Lars Krause, Vertriebs-Chef bei Volkswagen Nutzfahrzeuge, ist angesichts der zurzeit gut laufenden Crafter-Verkäufe mit Verbrennungsmotor trotzdem von Berufs wegen optimistisch: „Das muss ein Smash werden.“ Und: „Wir glauben nicht, dass wir 2028 zu spät dran sind.“
Spektakuläre Ergänzung für den ID.Buzz unter den Neuheiten…
Schließlich passiert im Laufe dieses Jahres eine Menge. An Neuheiten fehlt es nicht. Zurzeit überarbeitet VW den klassischen Crafter mit Verbrennungsmotor. Er erhält ein kräftig aufgefrischtes Cockpit und neue Assistenzsysteme. Hintergrund sind neue Zulassungsvorschriften für Cybersicherheit und Assistenzsysteme in der EU ab Sommer. Diese Vorgaben haben auch dem T6.1 nach mittlerweile 21 Jahren das Genick gebrochen – seine Fertigung läuft aus, da er in Kürze nicht mehr zulassungsfähig sein wird. Die Doppelbaureihe Caddy/Caddy Cargo wird ähnlich aufgewertet, hinzu kommt der Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 110 kW (150 PS), einer vergleichsweise großen Batterie mit knapp 20 kWh nutzbarer Kapazität und einer E-Reichweite von rund 100 Kilometern. Von der Technik des Plug-in-Hybrid wird ebenfalls der Multivan profitieren. Und ebenso der neue Campingbus California, der in Bälde anläuft.
Ist ja ganz nett, doch einer stellt dies alles in den Schatten. Der vom Start weg ikonische VW ID.Buzz bekommt mit dem ID. Buzz GTX eine spektakuläre Ergänzung. Mit einem zweiten E-Motor an der Vorderachse steigt die Leistung auf 250 kW/340 und der GTX schnellt in lediglich 6,5 Sekunden auf 100 Sachen. Motoren vorne und hinten heißt gleichzeitig Allradantrieb. Es gibt eine neue Batterie mit 79 kWh Kapazität, in der Ausführung mit langem Radstand sind sogar 86 kWh möglich. VW genehmigt dem Super-Bulli 1,8 Tonnen Anhängelast. Doch Vorsicht, das ist eine Angabe bis acht Prozent Steigung und nicht die gewohnten zwölf Prozent.
…aber ein Wermutstropfen
VW gönnt dem schneidigen GTX eine passende, liebevolle Verpackung. Da wäre der Stoßfänger mit Lüftungsgitter in schwarzem Waben-Design. Oder die LED-Tagfahrlichter wie Pfeilspitzen. Schwarzglänzende Karosserieelemente. Und selbstverständlich kräftig gebaute, exklusive Leichtmetallräder im Format 19 oder gar 21 Zoll. Drinnen sollen dunkle Farbtöne den sportlichen Charakter unterstreichen. VW schmeckt sie mit roten Ziernähten ab. Das streichelt die Seele, wichtiger aber ist die neue Generation der Infotainmentsysteme. Sie sollen die bisher arg verkorkste Bedienung verbessern. Das mittige Display wächst auf ein Format von 12,9 Zoll, die eigenwilligen Schieberegler sind nun – hört, hört – beleuchtet. Der neue Sprachassistent ist schlau und macht schlau: Er steuert nicht nur Fahrzeugfunktionen, er verkuppelt den Fahrer auf Wunsch auch mit Datenbanken à la Wikipedia oder dem Antwortgeber Chat GPT. Diese Neuheit wird Nutzern auch in den anderen VW der neuen Generation begegnen.
Wermutstropfen: Ein VW ID. Buzz GTX Cargo für die Nutzfahrzeug-Szenerie ist nicht geplant. Aber von einem ID. Buzz Cargo 4Motion ist die Rede, mit etwas milderer Leistung, so um die 170 kW. Ist ja auch was.
Volkswagen Nutzfahrzeuge steigert operativen Gewinn überproportional
Bestens gelaunt weist Carsten Intra nicht nur auf neue Modelle, sondern auch auf gute Zahlen hin: Das vergangene Jahr war das beste in der Geschichte unserer Marke.“ Knapp 400.000 Autos hat Volkswagen Nutzfahrzeuge im vergangenen Jahr gebaut, die meisten Baureihen liefen besser oder haben das Vorjahresergebnis knapp gehalten. Da wären:
- 81.535 Transporter (67.508)
- 81.505 Caravelle, Multivan, Kombi, California (80.698)
- 86.300 Caddy/ Caddy Cargo (88.852)
- 43.512 Amarok (42.806)
- 35.272 ID. Buzz/Cargo (11.013)
Dazu addierten sich 26.551 MAN TGE (22.268) und die Auftragsfertigung des Ford Connect.
Wenn dann ein Finanzvorstand wie Michael Obrowski sagt, „es war ein gutes, ein außergewöhnliches Jahr von Volkswagen Nutzfahrzeuge“, dann lohnt ein Blick auf die Zahlen. VWN steigerte den Umsatz um rund 30 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro. Noch stärker stieg der operative Gewinn, von 529 um 65 Prozent auf 873 Millionen Euro. Das bedeutet einen Anstieg der Marge von 4,6 auf 5,7 Prozent. Das kann ein namhafter Wettbewerber aus der südwestdeutschen Region zwar noch besser. Doch ein Netto-Cashflow von fast 700 Millionen Euro verschafft „den notwendigen Spielraum für unser Modellfeuerwerk“. Zwar sieht auch Obrowski 2024 „eine insgesamt schwierige Wirtschaftslage“. Aber: „Wir Nutzis schaffen das, was wir uns vornehmen.“
Nochmals Franz Beckenbauer: „Kraft in den Teller, Knorr auf den Tisch“, warb er in frühen Jahren. Oder Kraft an die Räder, E-Transporter von VW in den Fuhrpark?