Fuso Canter das Arbeitstier: Große Hoffnung liegt auf dem Leicht-Lkw, ob als Canter oder eCanter. Der wendige Truck bedient ein Segment im Daimler Truck Portfolio, wo der Konzern derzeit sonst kein weiteres Modell zu bieten hat.
Die Rolle des „Kleinen“ unter den großen Lkw der Marken Mercedes-Benz oder Freightliner gestaltet sich als umso wichtiger angesichts der derzeitigen Absatzflaute bei der Truck-Marke mit dem Stern. Schließlich sind Lkw des Modells Actros deutlich teurer als der kleinere Canter. Letzterer bedient ein gänzlich anderes Kundensegment als die schweren Brummis, die vor allem von Speditionen gekauft werden. Die schieben so gewaltige Anschaffungen seit diesem Jahr hinaus.
Hinzu kommt, dass die neu angetretene CEO von Daimler Truck, Karin Rådström, kurz vor ihrer Amtsübernahme vom bisherigen CEO Martin Daum gleich eine gewaltige Hausaufgabe aufgebrummt bekommen hat. Der Aufsichtsratsvorsitzende Joe Kaeser hat ihr bei der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz nach Bekanntgabe des CEO-Wechsels vor der IAA doch glatt ins Lastenheft geschrieben, Daimler Truck als den größten Nutzfahrzeughersteller der westlichen Welt auch zu dem Unternehmen mit den höchsten Margen in der Branche zu machen. Dabei verwies er auf Wettbewerber, die aktuell Renditen von 14 bis 15 Prozent erreichen. Letztes Jahr lag die bereinigte Umsatzrendite von Daimler Truck im Industriegeschäft bei 9,9 Prozent, dieses Jahr werden acht bis neuneinhalb Prozent angestrebt. Wichtiger als diese Diskussion ist der weitere Ausbau des Händler- und Servicenetzes.
Vorstand Martin Daum meinte dazu: „Die reine Fokussierung auf Umsatzrenditen ist falsch“. Für den Betriebswirt ist klar, dass es „den Ertrag stets weiter zu verbessern“ gelte. Wie für ein mittelständisches Unternehmen sei die absolute Höhe des Gewinns entscheidend. Daum gibt seiner Nachfolgerin Raum. Der Aufsichtsratsvorsitzende dagegen verschärft die Ziele. Fakt ist, der Absatz auch bei Daimler Truck ist signifikant gesunken. Bei den Trucks von Mercedes-Benz sind es im dritten Quartal 28 Prozent. Positiv dagegen sind die Zahlen in den USA (plus 4 Prozent). Um so wichtiger ist die Rolle des Leicht-Lkw von Fuso im Daimler Truck-Portfolio mit den Marken Mercedes-Benz, Freightliner, Western Star, Fuso, BharatBenz, Rizon, Thomas Built Buses und Setra. Der Verkauf von batterieelektrischen Trucks legte um 36 Prozent zu.
In dieser komplexen Gemengelage sprachen wir mit Asien-Vorstand Karl Deppen.
Er ist für den Juso zuständig und soll zukünftig auch die Fusion von Hino und Fuso, zweier großer weltweit operierender japanischer Lkw Hersteller, bewerkstelligen.
KFZanzeiger: Herr Deppen, was macht den Fuso Canter so besonders?
Karl Deppen: Besonders machen den Fuso Canter gleich mehrere Dinge. Herausragend ist fraglos die hohe Nutzlast bei kleiner Grundfläche. In seiner Grundkonzeption ist es ein extrem flexibles und vielseitiges Fahrzeug, das eine Vielzahl von Anwendungen abdeckt. Deswegen ist er auch so wichtig beim Umstieg auf Elektromobilität. Diese Flexibilität und Aufbauherstellerfreundlichkeit beim vollelektrischen eCanter beizuerhalten, das war uns von Beginn an wichtig.
Das Zweite, was ihn besonders macht, ist State-of-the-Art Batterietechnologie, nämlich Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) Zelltechnologie, die sich besonders für den Nutzfahrzeugeinsatz durch Robustheit und Langlebigkeit auszeichnet. Es war von Anfang an unser Entwicklungsziel, mit dem eCanter ein echtes Arbeitstier darzustellen. So, wie es die Kunden auch vom Diesel gewohnt sind. Besonders ist ferner: Wir haben keine Batterie unter dem Rahmen des Fahrzeugs installiert, sondern am Rahmen. In Verbindung mit der e-Achse bietet das viel Anbaufläche für Aufbauhersteller an der Rahmenseite, und prinzipiell auch die gleiche Flexibilität wie in den Dieselvarianten. Das führt dazu, dass wir heute schon 85 Prozent der Dieselvarianten als Elektrofahrzeug abbilden können. Damit machen wir den Umstieg zur Elektromobilität für die Kunden so einfach wie möglich. Und schließlich verfügt er natürlich auch über State of the Art Safety und Driver Assistance Technologien. Das heißt: Er hat die neueste Generation des Bremsassistenten, hat Side Guard Assist, also den Abbiegeassistenten an Bord – was besonders im urbanen Verkehr wichtig ist. All das sind Features, auf die der Canter-Fahrer nicht verzichten muss.
Der dritte Punkt, der das Fahrzeug auszeichnet, ist letztendlich nicht das Fahrzeug, sondern das Vertriebs- uns Servicenetz, das wir zur Verfügung stellen können. In Europa haben wir über 500 Partner, so dass auch der Kunde kein Experiment startet, sondern auf ein qualifiziertes und bewährtes Netz zurückgreifen kann, wo und wann er es braucht. Wir freuen uns, dass wir diese Angebotsbreite auch in Europa den Kunden anbieten können.
KFZanzeiger: A propos Märkte: Sie nennen Ihren Fuso eCanter ein globales Fahrzeug. Inwiefern?
Karl Deppen: Wir sind mit dem Canter mit Vertrieben in über 70 Märkten präsent. Damit gehört der Canter zu unseren globalsten Fahrzeugen im Gesamtkonzern. Im US-Markt haben wir die Marke Rizon gelauncht und vertreiben unter dieser Marke eine für den US-Markt adaptierte Version des bewährten Canter. Der eCanter ist zudem das am weitesten entwickelte e-Fahrzeug im Leicht-Lkw Segment. Übrigens: Vom Fuso Canter wurden bislang mehr als 4,5 Millionen Fahrzeuge produziert.
KFZanzeiger: Stichwort USA. Hat da ein kleiner Lkw eine echte Chance?
Karl Deppen: In den USA gibt es in der sogenannten Klasse 4 und Klasse 5 – das sind die Gewichtsratings – verschiedene Angebote. Da kreuzen sich teilweise verschiedene Fahrzeugkonzepte. So wie wir in Europa ja in einigen Teilsegmenten auch Van-basierte Fahrzeuge sehen, ist es in den USA vor allem der Bereich der schweren Pickups. Aber wir sehen eben auch, weder die Van-basierten Konzepte noch die Pickup-basierten Konzepte bieten die Wendigkeit und Vielseitigkeit des Canter oder eines solchen Fahrzeugkonzeptes. In den USA sehen wir auch die Kunden, die so ein wendiges Fahrzeugkonzept brauchen, das hohen Nutzwert auf kleinster Grundfläche bietet. Wendig im Einsatz, vielseitig in der Varianz in punkto Aufbaumöglichkeiten und vor allem robust und zuverlässig im täglichen Einsatz.
KFZanzeiger: Wo ist der Fuso eCanter besonders stark?
Karl Deppen: Grundsätzlich stark ist Fuso in südostasiatischen Märkten, zum Beispiel Indonesien. Das gleiche gilt auch für die MENA Region (Mittlerer Osten und Nordafrika), also Länder wie zum Beispiel Saudi Arabien. In Saudi Arabien betreibt Fuso seit zwei Jahren gemeinsam mit einem Joint Venture Partner eine CKD-Fertigung (Completely Knocked Down). Es gibt Nachfrage aus diesen Märkten. Da bestehen starke Händlerbeziehungen, das Netzwerk hat sich vergrößert.
KFZanzeiger: Den eCanter gibt es seit 2017. Was ist seitdem passiert?
Karl Deppen: Vor sieben Jahren wurde der eCanter als erstes Fahrzeug im Segment elektrischer Leicht-Lkw eingeführt. Sprich: Dieses Fahrzeug ist jetzt auch schon sieben Jahre in Betrieb, hat in dieser Zeit zig Millionen Kilometer gesammelt und ist seit letztem Jahr mit Folgemodell und entscheidenden Verbesserungen auf dem Markt. Das ist eine Expertise gerade in der jetzigen Konkurrenzsituation.
KFZanzeiger: Das Fahrzeug ist vergleichsweise klein, gut passend für deutsche Innenstädte und kommunale Aufgaben?
Karl Deppen: Das ist immer eine Gratwanderung. Zwischen dem Fassungsvolumen oder Gewicht, der Fahrzeuggröße und der Beschaffenheit des Einsatzgebietes. Was uns wichtig ist: Wir wollen im Light-Duty Truck Segment ein Produktangebot haben, das eben die speziellen Anwendungsfälle in diesem Segment bedienen kann. Wir sehen es ja in den Kommunen in Deutschland. Je nach Einsatzfall gibt es unterschiedliche Notwendigkeiten. In Europa sieht man sehr unterschiedliche Einsatzbedingungen: Enge Altstädte, enge Straßen, Wohngebiete, wo nicht immer ein großes Fahrzeug seinen Platz hat. Da ist der Canter eigentlich unschlagbar aufgrund seiner Einsatzmöglichkeit, seiner Wendigkeit. Ein Beispiel, über das wir uns sehr freuen, ist hier Griechenland. Mit unseren Partnern für Athen und Thessaloniki haben wir die ersten Anwendungen für den Müllsammelverkehr. Wir haben in Japan Fahrzeuge im Einsatz – wir sind auch in anderen Märkten schon dabei. Aber für Europa ist es der erste Einsatz. Und auf den großen Auftrag mit 89 Fahrzeugen sind wir sehr stolz, dass wir den Kunden von unserem Konzept überzeugen konnten.
KFZanzeiger: Wie zufrieden sind Sie mit dem Produktionsort Tramagal in Portugal?
Karl Deppen: Tramagal ist für uns ein langjähriger Standort – Sie waren ja selbst dort. Wir hatten im Frühjahr das Jubiläum: 60 Jahre. Seit Jahrzehnten produzieren wir dort für den europäischen Markt und profitieren natürlich von einer sehr gut ausgebildeten Mannschaft, mit guten Standortbedingungen. Für uns war es immer wichtig, nah am Markt zu produzieren. Auch den engen Austausch zu halten mit den Aufbauherstellern ist uns wichtig. Mit unserer Produktion in Europa ist es leichter, diese Kombination aus Fahrzeug plus Anwendungsaufbau optimal zu bedienen für den Kunden.
KFZanzeiger: Stichwort Produktivität in Japan – Ist sie besser als in Europa?
Karl Deppen: Die Produktivität in Japan ist nach wie vor gut. Deswegen sind wir auch mit unserer Stammfertigung nach wie vor in Kawasaki sehr zufrieden. Japan hat die letzten eineinhalb bis zwei Jahre drastische Entwicklungen beim Währungskurs gehabt. Das hilft mal ein bisschen mehr, mal ein bisschen weniger. Aber wir sind insgesamt in Japan sehr zufrieden mit dem Standort. Zum einen bietet Japan enorme Stabilität, sowohl politisch wie auch wirtschaftlich. Die Märkte dort sind deutlich weniger volatil als in anderen Regionen. Wir haben dort eine sehr loyale starke Kundenbasis. Hinzu kommt ein exzellenter Retail, den wir dort auch selbst betreiben und damit nah am Kunden sein können, um diesen Markt optimal zu bedienen.
KFZanzeiger: Und der Markt in China? Ist er eine Chance oder ein Problem?
Karl Deppen: China ist natürlich ein schwieriger Markt. Er hat nach der Pandemie nicht zu seiner ursprünglichen Größe zurückgefunden, stagniert jetzt das dritte Jahr in Folge auf einem erheblich geringeren Niveau als in der Vor-Pandemiezeit, mit hohen zweistelligen Einbrüchen. Gleichzeitig ist im chinesischen Markt auch eine erhebliche Überkapazität vorhanden. Und so wie bei den Pkw drängt diese Überkapazität in internationale Märkte. Das hat man auch auf der IAA Transportation 2024 und auf anderen Messen gesehen. Wie immer ist mehr Wettbewerb auch mehr Ansporn, sich dem zu stellen, Das tun wir bei Daimler Truck.
Das Interview führte unsere Autorin Dr. Susanne Roeder
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Fotos: Fuso Trucks, Daimler Truck