In der aktuellen Ausgabe des KFZanzeigers beschäftigt sich das Topthema mit den Brennpunkten der Branche. Dieses Mal untersuchen wir den Status quo der Autobahnausbaupläne und sprachen darüber mit Prof. Dr. Dirk Engelhard, Vorstandssprecher des BGL, der bei dieser und anderen aktuellen Herausforderungen eine klare Position bezieht.
KFZanzeiger: Herr Prof. Dr. Engelhardt, die Politik hat in letzter Zeit einige Beschlüsse gefasst, die die Arbeit in der Logistikbranche nicht unbedingt erleichtern. Fangen wir mit dem Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung der Bundesregierung an. Die Lkw-Maut wird zum besseren Ausbau der Infrastruktur erhöht, aber 80 Prozent des mehr eingenommenen Geldes sollen in die Bahn fließen. Wie stehen Sie dazu?
Prof. Dr. Engelhard: Die zusätzlichen CO2-Maut-Einnahmen sollen fast ausschließlich für die Bahn verwendet werden. Gegen höhere Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur spricht im Grunde nichts: der BGL hat sich stets für einen Investitionshochlauf in die Schieneninfrastruktur ausgesprochen – solange diese aus allgemeinen Haushaltsmitteln des BMDV finanziert werden. Mit dem neuen Mautgesetz werden jedoch die hohen Vorstandsboni im Bahnkonzern finanziert. Dadurch fehlen die Mittel für die klimafreundliche Transformation des Straßengüterverkehrs, die Sanierung der Brücken und des maroden Fernstraßennetzes sowie den Ausbau der Lkw-Parkplätze.
Die Prognosen des Verkehrsministeriums sagen voraus, dass sie der Güterverkehr auf der Straße weiter verstärken wird. Welche Maßnahmen müssten Ihrer Ansicht nach ergriffen werden, um den drohenden Verkehrskollaps auf den Straßen zu verhindern?
Der Lkw muss noch mindestens bis zur Mitte des Jahrhunderts die Hauptlast des Güterverkehrs in Deutschland tragen. Darin bestätigt die BMDV-Prognose die Grundaussage früherer Studienergebnisse von Umweltbundesamt, Ökoinstitut und Agora Verkehrswende, auch wenn diese zu geringeren Lkw-Marktanteilen kamen. Die Lkw-Verkehrsleistung dürfte dabei von 2019 bis 2051 um 54 % zunehmen. Eine Entlastung durch die Schiene ist dabei nur in begrenztem Maße zu erwarten, da u.a. Bahn-affine Massengüter wie Kohle in der Folge klimapolitischer Entscheidungen marginalisiert werden und der vom Konsumenten-/-innenverhalten getriebene Lkw-affine Onlinehandel weiterhin stark zunehmen wird. Wir haben in Deutschland marode Brücken, einen akuten Fahrermangel und der Netzausbau für Ladeinfrastruktur liegt in weiter Ferne. Die Lösungen dieser Probleme liegen auf dem Tisch. Ihre Umsetzung muss jetzt mit Hochdruck angegangen werden!
Sie fordern eine schnellere Verwirklichung der geplanten Autobahnprojekte. Woran hakt es Ihrer Meinung nach, dass es in Deutschland teilweise weit über zehn Jahre oder länger von der Planung bis zur Fertigstellung dauert?
Es gibt zu viele Einspruchsmöglichkeiten, die von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg haben, und nur der zeitlichen Verzögerung dienen. Außerdem sind die Planungskapazitäten in vielen Bundesländern unterdimensioniert. Das nun in Arbeit befindliche sog. Planungsbeschleunigungsgesetz eröffnet hier die Chance, zukünftig viel Zeit zu sparen, indem z.B. für eine reine Fahrbahnverbreiterung von zwei auf drei Richtungsfahrspuren nicht mehr so geplant und genehmigt werden muss, als würde man eine komplett neue Autobahn mitten ins Grüne bauen wollen.
Ihre Vereinsmitglieder suchen händeringend Fahrer und Fahrerinnen. Wenn die Prognosen zutreffen, wird sich der Mangel in Zukunft noch verstärken. Was kann der BGL tun, um wieder mehr Menschen hinter das Lkw-Lenkrad zu bringen?
Der BGL ist hier auf vielen Ebenen unterwegs. U.a. engagiert er sich in diversen Bundestagsanhörungen zum Thema und erarbeitet gemeinsam mit anderen Logistikverbänden Vorschläge für eine zeitgemäße Berufsausbildung in unserer Branche:
Das s Problem der Fahrer sind die Arbeitsbedingungen. Fehlende Parkplätze an den Autobahnen, immer mehr Staus und damit längere Fahrzeiten, eine eher durchschnittliche Bezahlung: Was kann man tun, um den früheren Traumjob wieder attraktiver zu machen?
Hier muss an einer ganzen Reihe von „Baustellen“ gearbeitet werden: Vor allem macht – speziell in Deutschland – die fehlende gesellschaftliche Anerkennung vielen Fahrern zu schaffen. Das öffentliche Ansehen der Lkw-Fahrer muss wieder besser werden, damit sie die Wertschätzung erhalten, die sie für ihre herausfordernde und unverzichtbare Arbeit verdienen. Auch wenn wir in den letzten Monaten bereits positive Entwicklungen verzeichnen können, machen die organisatorischen Zustände an den Be- und Entladestellen oft den betroffenen Fahrern das Leben schwer, z.B. unkalkulierbare Wartezeiten, kein Zugang zu Sanitäranlagen oder fehlende Verpflegungsmöglichkeiten. Hier sind alle gefordert – Politik Handel, Endverbraucher – um Verbesserungen anstreben und auch umzusetzen. Überdies muss verstärkt gegen den ebenfalls seit Jahren bestehenden Parkplatzmangel vorgegangen werden – nicht zuletzt aus Verkehrssicherheitsgründen. Hier wurde in den letzten Jahren zwar schon viel erreicht, aber noch mehr bleibt zu tun. Die allabendliche, oftmals vergebliche Parkplatzsuche gehört leider immer noch zum Arbeitsalltag zehntausender Lkw-Fahrer in Deutschland. Die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer müssen also generell wieder attraktiver werden.
Die Spediteure stehen unter gewaltigen finanziellen Druck, weil die Konkurrenz aus dem Ausland teilweise mit unlauteren Mitteln die Preise drückt. Sie waren ja persönlich an der A5 bei Gräfenhausen und haben sich ein Bild gemacht von den streikenden Fahrern, die unter anderem für ein polnisches Unternehmen fuhren und über Wochen kein Geld gesehen haben. Was kann man tun, damit solche Verstöße gegen geltendes EU-Arbeitsrecht unterbleiben?
Antwort: Wir brauchen mehr Kontrollbeamte und digitale Lösungen, die das Ganze leichter kontrollierbar machen. Demnächst kommt beispielsweise der neue digitale Fahrtenschreiber, der zeichnet automatisch den Grenzübertritt auf, dann lässt sich leichter feststellen, wann der Lkw an den Heimatstandort muss. Wir wollen eigentlich, dass die Behörden im Heimatland die Unternehmen kontrollieren. Doch der Druck in Bulgarien, Rumänien, Polen, Litauen, Estland oder in Lettland ist nicht so, wie wir uns das wünschen. Darum sollte es die Möglichkeit geben, Missstände hier festzustellen und Strafmandate direkt an diese Unternehmen auszustellen. Hier müsste es eine bessere Zusammenarbeit zwischen Zoll, Polizei und Verkehrsministerium geben, um die Einhaltung aller arbeitsrechtlichen und sozialen Vorschriften zu kontrollieren. Hier sehe ich aber auch die deutschen Auftraggeber wie VW, DHL, Siemens und die anderen, für die die Mazur-Leute, wie es heißt laut Medienberichten unterwegs sind, in der Pflicht, nur mit solchen Speditionen und Transportunternehmen zusammenzuarbeiten, die sich an die europäischen Vorschriften halten.
Auf Ihre Mitglieder und auf die Hersteller kommen in Zukunft einige technische Herausforderungen zu. Die neue EuroVII-Norm wird die Fahrzeuge massiv verteuern. Außerdem sind die technischen Probleme noch nicht gelöst. Von Hersteller-Seite gab es dafür massive Kritik. Halten Sie das von der EU aufgestellte Zeitfenster für die Einführung der neuen Norm für realistisch?
Fakt ist: Euro VI schreibt bereits eine Reduzierung der Schadgasemissionen von Kohlenmonoxid um 87,8 %, von Kohlenwasserstoffen um 95,0 % sowie von Stickoxiden und Feinstaub um sogar jeweils 97,5 % vor. Es stellt sich nicht nur für uns die Frage, wie sinnvoll es ist, für die weitere Reduzierung der noch verbliebenen geringfügigen Schadstoffanteile signifikante Ingenieurs-Kapazitäten in den Entwicklungsabteilungen der Lkw-Hersteller zu binden, d.h. von anderen Tätigkeiten fernzuhalten. Diese Kapazitäten werden nämlich gerade dringendst für die Entwicklung von alternativen Antriebstechnologien einschließlich der dafür erforderlichen Tank- und Ladeinfrastruktur benötigt, falls wir überhaupt noch zumindest theoretische Chancen auf die Erreichung der Lkw-Klimaziele für 2030 haben wollen. Es mag keine Schwierigkeiten bereiten, immer mehr zusätzliche EU-Beamte einzustellen – bei Ingenieuren und vielen anderen Mangelberufen trifft dies bedauerlicherweise nicht zu. Zudem müsste sichergestellt werden, dass mit einer neuen Schadstoffklasse Euro VII der CO2-Ausstoß gegenüber Euro VI-Fahrzeugen nicht erhöht wird – denn auch in Lkw-Motoren gelten die Naturgesetze.
Foto: BGL